Unvergessen ist die Selbstbeschreibung von Oliver Sacks, als er sich bei einem Wanderunfall plötzlich als Patient wiederfand – er, der normalerweise doch andere Menschen untersuchte, in einem medizinischen Fachbereich, der bis heute noch etliche Rätsel aufgibt. Trotz CT, MRT und Röntgen musste sich der Neurologe Oliver Sacks mit einem Mal selbst neurologisch befunden.
Zahlreiche erhellende Berichte verdanken wir seither dem mittlerweile 80-jährigen, zum Beispiel ein populäres Standardwerk über Migräne, in dem er eine Lanze für die oftmals belächelten Patienten bricht.
Seinem Markenzeichzen, Kompliziertes spannend zu erklären, bleibt er treu:Was geschieht in unserem Kopf, wenn wir – ohne es zu wollen – phantastische Geschichten wahrnehmen oder Muster und Gestalten sehen? Wodurch unterscheiden sich solche Halluzinationen von realen Erfahrungen oder von Traumerlebnissen? Haben sie einen Zusammenhang mit früher Erlebtem oder mit unseren geheimen Wünschen? Charles Bonnet, ein Schweizer Mediziner, hat im 18. Jahrhundert als erster das Phänomen systematisch erforscht. Oliver Sacks schlägt den Bogen bis in unsere Gegenwart, bis zu zahlreichen eigenen Patienten und deren Fallgeschichten. Die bildgebenden Verfahren, die in der Hirnforschung heute eingesetzt werden können, ermöglichen völlig neue Erkenntnisse über die Verläufe und die Ursachen von Halluzinationen.
Nicht fehlen darf die Frage, welche halluzinatorischen Wirkungen bestimmte Drogen und Rauschgifte haben können – Mescalin zum Beispiel, Kokain oder Haschisch. Oliver Sacks beschreibt gleichfalls den Zusammenhang zwischen Halluzinationen und künstlerischer Produktion an prominenten Beispielen. Die kennt man zwar schon, aber nicht aus dieser Perspektive, man denke an Charles Baudelaire, Frédéric Chopin und Aldous Huxley.
Oliver Sacks: Drachen, Doppelgänger und Dämonen. Rowohlt Verlag; 22,95 Euro.