Mehr Opel ging nicht. Der Kapitän war weit über drei Jahrzehnte das deutsche Wohlstandssymbol schlechthin und erzielte geradezu massenhafte Verbreitung unter Vorständen und Wirtschaftsführern, aber auch bei selbstständigen Handwerker und Kaufleuten. In seinen besten Zeiten schaffte es der Opel im Format eines Straßenkreuzers sogar bis auf Rang drei der Zulassungsstatistik, davon konnten andere Luxusliner aus Stuttgart oder München nur träumen. Sechs Zylinder waren Standard, aber auch mächtiges V8-Schwermetall amerikanischer Abstammung arbeitete ab 1965 unter der lang gestreckten Motorhaube des maritim benannten Rüsselsheimer Spitzenmodells. Abgelöst wurde der Kapitän 1970 durch die höher positionierten Typen Admiral und Diplomat. Dennoch: Den Nimbus des Kapitän erreichte keiner der Nachfolger, so dass sich Opel später sogar ganz aus dem automobilen Oberhaus verabschiedete.
Was war das Geheimnis des nach Ansicht seiner Fans besten Opels aller Zeiten? Ganz einfach: Der Kapitän ließ kaum eine Komfort-Annehmlichkeit vermissen und kostete dennoch keinen Premiummarken-Aufpreis. Nie gab es mehr Opel fürs Geld, möglich machte dies zumindest in den letzten Produktionsjahren auch der Einsatz amerikanischer Großserientechnik. Schon vor einem Dreivierteljahrhundert kostete der stets innovative Kapitän mit 2,5-Liter-Reihensechszylinder und der ersten Pontonkarosserie im automobilen Oberhaus relativ günstige 3.575 Mark. Dagegen berechnete Mercedes für den Typ 230 bereits 5.875 Mark und BMW für den 326 mit kleinerem 2,0-Liter-Motor 5.500 Mark. Ein Kostenvorteil, der auch den Kapitän der Wirtschaftswunderjahre kennzeichnete und das Opel-Flaggschiff dennoch zum Inbegriff des bürgerlichen Traumwagens machte.
Ganz so wie es der Liedermacher Reinhard Mey in seinem Song vom „51er Kapitän“ erzählt. Eine schneeweiße Luxuslimousine mit Chromglanz und domartigen Dachhimmel, die sich Meys Vater im tristen Nachkriegsdeutschland erträumt. Tatsächlich war der Kapitän der erste deutsche Nachkriegs-Sechszylinder und erreichte 1951 mit einer Länge von 4,72 Metern ein Gardemaß, gegen das sich der Mercedes 220 (4,51 Meter) oder der wenig später lancierte Borgward Hansa 2400 (4,46 Meter) geradezu kompakt ausnahmen. Reichlich Glanz und Gloria kombiniert mit großer Zuverlässigkeit machten den Rüsselsheimer Marinedienstgrad zur festen Größe unter den global erfolgreichen Luxusautos. Zeitweise wurden mehr als zwei Drittel der Rüsselsheimer Produktion exportiert, dies auch mit speziellen Hubraumformaten, um internationalen Steuergesetzen zu genügen.
Nur am Anfang seiner Karriere konzentrierte sich der Kapitän mehr auf den Heimatmarkt. Mit den drei Karosserien zwei- und viertürige Limousine sowie Cabriolet wollte Opel-Vorstand Heinrich Nordhoff ab 1938 den bereits beachtlichen Erfolg des Kapitän-Vorgängers Opel Super 6 übertreffen. Allerdings beendete der Krieg nach nur zwei Jahren vorläufig die Karriere des Kapitän. Als 1948 die Produktionsbänder in Rüsselsheim nur für den Viertürer wieder anliefen, brachte Nordhoff bereits in Wolfsburg den Käfer auf Kurs. In dessen Kielwasser fuhr wenig später der Kapitän – auf Platz drei der deutschen Verkaufscharts.
Natürlich wurde auch in den 1950er Jahren nicht alles Gold, was Opel mit dem Kapitän machte. Außer beim zweimillionsten Opel, der am neunten November 1956 mit vergoldeten Zierteilen vom Band rollte und die Kapitän-Serie vorläufig krönte. Ansonsten musste sich auch das Opel Flaggschiff bisweilen heftige Kritik gefallen lassen. Zunächst galt diese dem amerikanisch weich ausgelegten Fahrwerk, weshalb Opel zum Modelljahr 1951 eine geänderte Vorderradaufhängung nebst strafferer Abstimmung einführte. 1953 ersetzte eine modische Pontonform das inzwischen überlebte Vorkriegsdesign. Der Kühlergrill kündete mit amerikanischem „Dollargrin“ – vom deutschen Volksmund wegen einer auffälligen Chromspange allerdings Haifischmaul genannt – vom Einfluss aus Detroit.
Tatsächlich folgten nun typisch amerikanische, jährliche Designmodifikationen, die 1958 im Kapitän P 2,5 kulminierten. Die von GM vorgegebene Formensprache führte nun zu einer fünf- oder mit vorderer Mittelbank sechssitzigen Limousine mit sogenannter Panorama-Frontscheibe und ebenso weit um die Karosserie herumgezogenem Rückfenster. Problematisch waren die dadurch vor allem hinten zu schmal geratenen Einstiegsöffnungen. Nicht nur als Chauffeurlimousine enttäuschte dieser Kapitän seine Stammkundschaft so sehr, dass er bereits ein Jahr später durch den Kapitän P 2,6 mit repräsentativer 2,6-Liter-Maschine ersetzt wurde. Während Borgward mit seiner Oberklasselimousine P 100 im Jahr 1960 scheiterte, verlangte Mercedes für seine 3,0-Liter-S-Klasse-Kreuzer den dreifachen Betrag, den Opel für einen Kapitän berechnete.
So brach der Kapitän P 2,6 in der europäischen Oberklasse alle Rekorde. In gut drei Jahren verkaufte Opel über 145.000 Einheiten, dies auch dank zeitgenössischer Accessoires wie Zweifarbenlackierung, neuartiger Servolenkung und „Hydra-Matic“-Getriebeautomatik. Noch einmal galt wie schon in den 1950er Jahren: Die Prominenz aus Geschäfts- und Filmwelt gönnte sich den größten Opel. Walter Giller, Gert Fröbe, Heinz Rühmann, Hildegard Knef und Boxer-Legende Max Schmeling, sie alle fuhren Kapitän im Film und im Leben. 1964 holte die Marke im Zeichen des Blitzes zum entscheidenden Schlag aus: Aus einem Oberklassemodell wurden die „Großen Drei“, wie sie Opel bezeichnete. Auf den Kapitän folgten Admiral und Diplomat, in der Werbung kurz „KAD“- oder „Prominentenklasse“ genannt. Während der Admiral als Luxusversion des Kapitän fungierte, sollte der Diplomat durch einen 140 kW/190 PS starken Chevy-V8 gegenüber der Mercedes-Benz S-Klasse mit Sechszylindermotoren einen Prestigevorsprung aufbauen. Vor allem aber war es Tempo, das zählte. Der Kapitän galt als schnellster Sechszylinder mit sechs Sitzplätzen in zwei Reihen, der Diplomat als spurtstärkste deutsche V8-Limousine, die sogar die prestigeträchtige 200-km/h-Marke knackte und so mit dem Mercedes-Benz 600 gleichzog. Für kostenbewusste Feinschmecker bot Opel die Noblesse des Achtzylinders ab 1965 auch in den Typen Admiral und Kapitän an.
Als die KAD-Reihe im Dezember 1968 auslief, zeigte sich Opel mit dem Absatzerfolg zufrieden. Allerdings konnte dies nur noch für die Gesamtstückzahl gelten, der Kapitän war deutlich weniger gefragt als die besser ausgestatteten Schwestermodelle Admiral und Diplomat. Noch drastischer zeigte sich dies bei den Anfang 1969 eingeführten Nachfolgern. Den Kapitän gab es jetzt nur noch als spartanisch ausgestattete und besonders billige Einstiegsversion in die hessische Nobelklasse, mit der Folge, dass sogar Polizeibehörden den Kommandoträger als Dienstwagen bestellten. Ansonsten wurden Admiral und Diplomat geordert, allerdings hatten die bis 1977 produzierten knapp fünf Meter langen Schlachtschiffe nicht mehr das leichte Spiel von einst. Neue Konkurrenten von BMW, Volvo oder Jaguar setzten ihnen zu, vor allem aber die mittlerweile dominierende Mercedes S-Klasse. Der Kapitän setzte sich bereits 1970 zur Ruhe, Admiral und Diplomat warteten bis zur Ablösung durch den Opel Senator. Mit dem Abgang des Kapitän verlor Opel nicht nur eine automobile Führungspersönlichkeit, sondern auch einen Leitstern, der die Marke hell leuchten ließ. Diesen Glanz versucht Opel heute neu zu finden.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Opel, SPS