Buchtipp der Woche (1)

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Jan Zweyer: Töwerland brennt. Grafit Verlag; 9,99 Euro.

Eine zähflüssige Masse. Nass und kalt, aber nachgiebig.Allerdings nicht weich genug. So sehr er sich auch anstrengte,er kam nicht frei. Er bewegte seine Zehen, spannte dieMuskeln an, schob die Oberschenkel ein kleines Stückchenvor, dann zurück. Links, rechts. Vor, zurück und wieder vorund zurück. Dutzende Male. Doch vergebens. Kaum hatteer sich Platz verschafft in diesem klebrigen Stoff, der seineGliedmaßen wie ein elastischer Panzer umschloss, und füreinen Moment in seinen Anstrengungen innegehalten,drängte das Feuchte erneut in den Freiraum, den er sichgerade erst erkämpft hatte, nahm ihn sekundenschnell inBesitz.

Schließlich seine Arme. Auf dem Rücken zusammengehaltenmit etwas, das in seine Handgelenke schnitt undschmerzte, wenn er versuchte, sich zu befreien. Diese Bindungwiderstand allen Bemühungen.

Der Mund. Fest verschlossen mit einem Klebeband. Unmöglich,zu schreien. Seine Mundwinkel zuckten, die Lippenaber blieben aufeinandergepresst, gehalten von dem flexiblenScharnier. Nur ein leises Stöhnen, ein tiefes Brummen konnteer aus seiner Kehle pressen.

Und dann seine Augen! Die Lider ebenso gesichert wiesein Mund. Unfähig, seine Umgebung zu erkennen.Gedankenfetzen, Fragen. Wer war er? Wo war er? Washielt ihn?

Jan Zweyers detaifreudige Beschreibungen stehen im krassen Gegensatz zu einem auf Strandkorbharmonie hinweisenden Cover. Kein Wunder, im Mittelpunkt steht ein Feuerteufel, der auf der Nordseeinsel Juist sein Unwesen treibt. Ausgerechnet kurz vor der Hochsaison, insofern sind die farbenfrohen Strandkörbe durchaus ein Thema. Aber in die Erwartung von Touristen, guten Geschäften und nicht zuletzt eines schönen Sommers passen auch keine Drohbriefe. Erst recht nicht, wenn sie mit dem verheißungsvollen Satz Töwerland brennt enden und an einen Hotelbesitzer adressiert sind.

Der Bedrohte bittet einen Anwalt, unauffällig Ermittlungen anzustellen. Und der Auftrag erweist sich als lebensgefährlich. Spätestens dann, als das Meer ein Mordopfer freigibt.

Jan Zweyer ist gelernter Architekt und studierter Sozialwissenschaftler, heute aber freiberuflicher Schriftsteller im Ruhrgebiet, wo der gebürtige Frankfurter seit den 70ern lebt.

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