Mitunter stellt man sich als Besucher der Essen Motor Show in diesem Jahr die Frage: Wo hört das Geniale denn nun eigentlich auf und wo fängt der pure Wahnsinn an. Solche Exemplare nennt man dann wohl mittlerweile „Art Cars“, weil Anglizismen ja offensichtlich „in“ sind. Der Begriff „Kunst am Auto“ tut es aber auch. Und trifft es genau so gut.
Beispiele gefällig dafür? – Bitte schön.
Wenn es ein Fahrzeug als Paradebeispiel für diese These gibt in Essen, dann dieses Monstrum, das auf der sogenannten Galeria zwischen zwei großen Ausstellungshallen steht: Artti Rahko heißt der „spiritus rector“, des Unikats, das als „Finnjet“ dort einem staunenden Publikum dargeboten wird. Der Name deutet auf die heimatlichen Wurzeln seines Erbauers hin: Rahko ist gebürtiger Finne, lebt aber schon seit vielen Jahren im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Diese Tatsache hat er sich mit dem Bau des „Finnjet“ zu eigen gemacht.
Insgesamt zehn Jahre hat der Mann aus dem hohen Norden an diesem unglaublichen Einzelstück gearbeitet: Das Fahrzeug besteht eigentlich aus zwei Mercedes Kombi 300 TDI, die beide irgendwie zusammen geschweißt, geklopft oder genietet wurden. Demzufolge hat das glänzende Unikat nicht nur acht Räder, sondern auch zehn Sitzplätze. Das automobile Dickschiff wiegt 3,4 Tonnen. Mit den beiden Mercedes-Kombis als Basis war es aber bei weitem nicht genug: Zusätzlich verbaute der bastelwütige Finne Teile von 40 weiteren Autos. Von diesen verbrauchte er unter anderem 86 Scheinwerfer, 36 Außen- und Innenspiegel sowie drei Batterien.
Und, o Wunder: Das knapp neun Meter lange Gefährt ist in den USA sogar für den Straßenverkehr zugelassen. Ein alter Mercedes-Diesel unter der Haube sorgt für entsprechenden Vortrieb. Dank Vierrad-Lenkung der Vorder- und Hinterachse soll – so sein Erbauer – der „Finnjet“ auch in der Innenstadt durchaus lenkbar sein. Dennoch: Bei der Parkplatzsuche in downtown Manhattan oder Chicago einmal zuschauen zu dürfen, wäre sicherlich ganz lustig. Der materielle Wert des unverwechselbaren Einzelstücks wird auf rund eine Million Dollar geschätzt.
In Sichtkontakt zum „Finnjet“ hat der kroatische Goldschmied Sandro Vrbanus einen VW Käfer der ganz besonders kunstvollen Art ausgestellt. Seinen 70er Jahre Käfer ziert eine Karosserie aus Blumenranken, Blüten und weiteren kunstvollen Ornamenten. Sogar mit 24 Karat Gold sind einige Teile des prachtvollen Wolfsburger Krabbeltiers verziert. Das Fahrzeug, das im Übrigen uneingeschränkt fahrfähig ist, hat der Meister der Schmiedekunst in rund vier Monaten gezaubert. Der Kunst-Käfer ist durch die Eigenbau-Details etwa 70 Kilogramm schwerer geraten als das Original. Preisangaben macht Vrbanus im Übrigen nicht, womöglich auch mangels Kauf-Interessenten.
Wenn wir schon beim Thema Volkswagen sind: Für Aufsehen sorgt in Essen auch der schnellste „Electric Dragster“ der Welt. Natürlich in Käfer-Form hergestellt. Der pechschwarze Beetle mit Namen „Black Current III“ bringt es auf satte 217 km/h Höchstgeschwindigkeit. Hintergrund dieses Fahrzeugs, das von den beiden US-Brüdern Olly und Sam Young geschaffen wurde, ist ein Aggregat, mit dem die in den US in den 1950er und 1960er Jahren bekannten Elektro-Trucks ausgerüstet waren. Sie brachten damals Milch, Brot und Eier zu den Haushalten.
Seinerzeit wurde der Truck vom sogenannten „Milkfloat-Motor“, einer 1960er Morrison-Maschine angetrieben. Damit konnte eine V-Max von etwa 55 Meilen (knappe 90 km/h) erreicht werden. Für die Essen Motor Show wurde der Antriebsstrang des pechschwarzen Beetle jedoch mächtig aufgemotzt. Den Sprint von null auf (umgerechnet) 97 km/h vollzieht „Black Beauty“ in sage und schreibe 1,6 Sekunden. Die ganze Aktion soll etwa 100.000 Dollar gekostet haben.
Auf öffentliche Straßen aber darf der Electric-Dragster damit nicht. Was auch gut so ist, wie bei einigen anderen Fahrzeugen dieser seltsamen Art in Essen übrigens auch.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun