Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Sagt ein altes Sprichwort. Weniger drastisch: Zahlen-Bergen und Datenmaterial als Beweis von Behauptungen ist mit Vorsicht zu genießen, vom Blickwinkel des Urhebers aus zu sehen (Erkenntnisinteresse?), und die Gefahr der Manipulation ist auch nicht von der Hand zu weisen – ein bißchen was geht immer…
Es geht auch anders: In dieser Woche wurde allerdings eine Statistik veröffentlich, die ebenso unumstößlich wie traurig ist. 614 Menschen – durchschnittlich – kamen pro Jahr im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts als Fußgänger bei Verkehrsunfällen in Deutschland ums Leben. Das ist statistisch gesehen jeder achte Getötete im Straßenverkehr. Da hierzulande die Katalogisierung von Fakten und das Festhalten von statistisch verwertbaren Ereignissen sehr ernst genommen wird, ist ersichtlich, wie der „statistisch am häufigste getötete Fußgänger“ ums Leben kam: Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent ist er älter als 65 Jahre, betritt von rechts die Fahrbahn ohne sich um zu schauen, wird von einem Auto erfasst, auf dessen Motorhaube und von dort wieder auf die Straßen zurück geschleudert. Mit Menschleben als statistischem Füllmaterial zu hantieren, mag auf den ersten Blick als erschreckend erscheinen.
Aber: Sehr engagiert arbeitet die Automobilindustrie an wirksamen Fußgängerschutz. Um bei dieser Detailarbeit wirklich zielführend und stringent arbeiten zu können, ist jedes kleine Puzzle-Teilchen im Unfallgeschehen mit Fußgängern wichtig und trägt zur Effektivität neuer Forschungen und Entwicklungen bei. Hier muss die Verbraucherschutzorganisation Euro-N-CAP, die sich bisher vor allem um die Sicherheit von Fahrzeuginsassen gekümmert und als Basis-Institution des gleichnamigen Tests von sich reden gemacht hat, erwähnt werden. Sie möchte sich nun in gleichem Maße für den Schutz des schwächsten Verkehrsteilnehmers einsetzen. Denn wir alle, die wir weder in einem Fahrzeug sitzen, noch einen Helm als Motorrad- oder Fahrradfahrer tragen, sind unsere eigene Knautschzone. Und dies allzu oft bei extremer Aufprall-Geschwindigkeit.
Euro N-Cap, so geht aus einer Pressemitteilung der Organisation in dieser Woche hervor, werde in nächster Zukunft ihr Punkte- und Sterne-Vergabesystem auf den Prüfstand stellen und reformieren. Fünf Sterne werden demzufolge ab dem Jahr 2016 nur noch Neufahrzeuge erreichen, die spezielle Schutzeinrichtungen für Fußgänger aufweisen. Die meisten Fahrzeughersteller arbeiten schon seit Jahren an einer Verbesserung des Fußgängerschutzes, messen etwa die Aufprallgeschwindigkeit eines Kopf-Dummys auf die Motorhaube. Diese Ergebnisse haben Konstruktions-bedingt dazu geführt, dass in vielen Neufahrzeugen der Abstand zwischen (relativ) weicher Motorhaube und hartem Motorblock größer geworden ist. Sogar aktive Motorhauben werden bereits eingesetzt: Sie erkennen aufgrund von Sensoren oder Kameras den aufprallenden Fußgänger in Millisekunden und können die Aufprallschäden mindern.
Die Forschung und Entwicklung geht weiter, nicht zuletzt aufgrund des Drucks von Organisationen wie Euro N-Cap. Und das ist gut so. Denn was in diesem Fall der Statistik in Form gesunkener Todesfälle entgegenkommt, kommt auch dem Menschen und dessen Leib und Leben zugute.
Ich wünsche Ihnen ein sicheres Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun