Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Die Nachricht, über die ich heute an dieser Stelle ein paar Gedanken verlieren möchte, wurde zwar schon vor etwa zwei Wochen verbreitet. Dennoch denke ich, dass ihr trauriger Inhalt es wert ist, ein paar Takte inne zu halten und das Schaffen eines Mannes zu würdigen, der das Gesicht der Straße unseres Jahrhunderts sowohl mit teuersten Kreationen wie auch mit so genannten „Brot-und-Butter-Autos“ geprägt hat, wie kaum ein Zweiter. Am 3. Juli verstarb in seiner Heimatstadt Turin im Alter von 85 Jahren der Designer Sergio Pininfarina.

Pininfarina: Mit diesem Namen verbinden wir alle, die wir uns mit dem Thema Automobil in seinen verschiedensten Facetten befassen, vor allem eines: Eine unvergleichliche und von sonst niemandem erreichte Art und Weise, den Formen eines Automobils Leben ein zu hauchen, ihm Aura und Unverwechselbarkeit zu verleihen. Ein Ferrari wäre heute nicht das was er ist, wenn es nicht Pininfarina gegeben hätte.

Der Designer und ästhetische Feingeist, Unternehmer und Italiener aus Überzeugung, schuf Automobile für die Ewigkeit und bewahrte einzigartige Modelle vor dem Schicksal des vergessen Werdens und des Aussterbens. Aus Pininfarinas Feder stammt einer der schönsten Sportwagen der Welt, der Ferrari 246, der als „Dino“ in die Geschichte einging. Er kreierte das Kleid eines Testarossa, als dieser noch ein Schmuckstück wie ein funkelnder Diamant oder ein maßgeschneiderter Zweireiher für kultivierte Vertreter der Haute Couture war und nicht achtloses Spielzeug einer Horde wild gewordener Oligarchen, die ihrer Habgier frönt.

Kleinode wie der Fiat 124 Spider, als Automobil so unvergleichlich wie ein Grand Cru des Barons Philippe de Rothschild, wären in ihrer Versuchs- und Entstehungsphase längst ein Opfer der unbarmherzigen Schrottpresse geworden, hätte Pininfarina ihnen nicht Charisma eingehaucht. Der Mann aus dem Norden Italiens wirkte in seinem prägenden Einfluss für die Faszination automobiler Formen aber nicht nur im Kleinen. Nicht nur im Detail des Besonderen, des Extravaganten. Dem Peugeot 205, dem meistverkauften Automobil des französischen Herstellers, gab er neben anderen Erzeugnissen der Löwenmarke, ebenfalls seinen schöpferischen Segen mit auf die Straßen dieser Welt. Zu Beginn der zweiten Dekade des neuen Jahrhunderts muss das Automobil den Spagat zwischen größtmöglicher ökologischer Unbeflecktheit und veritablem Nutzen vollziehen. Flüchtige, scheinbar nur für den Moment fest gehaltene Schönheit bewegter und bewegender Objekte ist kaum noch ein Kriterium bei der Standortbestimmung eines Automobils und dessen finanziellen wie ideellen Wert. Mit Sergio Pininfarina starb nicht nur ein großer Designer, Ästhet und Feingeist, sondern auch eine Welt, die in ihrem unprätentiösen Hang zur größtmöglichen Vollkommenheit des Formenspiels nicht mehr zeitgemäß ist.Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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