Dass speziell die deutschen Motormagazine Fertigungsmängel an der in Manufakturqualität gebauten Kunststoffkarosserie bemängelten, störte die Alpine-A310-Klientel weniger. Wichtiger waren den Kunden ohnehin die Langstreckenqualitäten der robusten und wartungsarmen Renault-Aggregate: „Ein Fahrerlebnis, das fast ins Unwirkliche gesteigert wird, wenn die Landschaft lautlos mit 200 oder mehr km/h an Ihnen vorbeifliegt… dieses Auto erlaubt Ihnen, mal eben von Hamburg nach München zu fahren… und doch Kilometer für Kilometer das begeisternde Fahrerlebnis reinrassiger Formel-Technik zu spüren, zu genießen“, euphorisierte die Renault-Werbung. Speziell für die 220 km/h flotte Alpine V6 folgte nach der zweiten Energiepreisexplosion im Jahr 1979 noch der provozierende Slogan: „Die sparsamsten 200 km/h“. Immerhin: Nach nur 2.340 verkauften Vierzylinder-Alpine schaffte es die A 310 mit V6 auf rund vier Mal so viele Einheiten, die bis Ende 1984 gebaut wurden.
Die Wundertalente der Werbeslogans überprüfte auch die französische Gendarmerie auf ihren Wahrheitsgehalt, als sie ab 1975 auf Alpine A 310 Einsatzwagen vertraute, ähnlich wie der Porsche 911 von der deutschen Autobahnpolizei als auffälliger Abfangjäger genutzt wurde. An das modisch-glamouröse Erscheinungsbild der A 310 reichte der Zuffenhausener Sportwagen zwar nicht heran, andererseits machten die unvergänglich ikonischen Konturen den Porsche 911 zum ewig jungen Bestseller, während die exaltierte Haute-Couture der Alpine A 310 heute nur noch auf Oldtimermessen Akzente setzt. Dazu passt auch das inzwischen nostalgisch wirkende Alpine-Interieur, dessen Uhrenkollektion ebenso wie die halb liegend positionierten Sitze an einen von Modeschöpfer Paco Rabanne kreierten Look fürs Weltraumzeitalter der Apollo-Kapseln erinnerten.
Bis zum Genfer Salon 1971 konnte Jean Rédélé nur einen seriennahen Prototyp des Autos „Für Männer, die das Echte lieben“ (deutscher Werbeslogan) realisieren und dennoch startete sofort der Verkauf ohne ausgiebige Erprobung mit wirklich serienreifen Autos. Ein zu früher Vertriebsbeginn, denn manches Qualitätsproblem konnte nun erst behoben werden, als bereits die ersten Käufer reklamierten. Hinzu kamen spät und nur vereinzelt realisierte Motorsporterfolge der A 310, während die weiterhin angebotene und erschwinglichere A 110 sogar noch 1973 die Rallye-Weltmeisterschaft gewann. Erst die Einstellung der A 110 im Jahr 1977 und die V6-Version der A 310 brachten den Schritt nach vorn und Erfolge im Segment der Luxussportler, die Alpine fortan bis zur finalen, 1991 vorgestellten A 610 verfolgte.
Heute kehrt Alpine dagegen zu den Wurzeln der Rennsportmarke zurück: Die Alpine A 110 als leichtes, kompaktes und noch bezahlbares Sportgerät entspricht ebenso der ursprünglichen Philosophie Jean Rédélés wieder Kampf um Rallye- und Grand-Prix-Siege.
Fotos: Alpine, Autodrom