Auto-Historie: Der Lloyd LP 400

Es gibt diverse Sprüche zur Automarke Lloyd, wie „ein Lloyd erfreut“ oder auch bösere Lyrik („Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“). Eines kann man jedenfalls als gesichert betrachten: Wer Anfang oder Mitte der Fünfziger des letzten Jahrhunderts in den Genuss eines fabrikneuen Lloyd kam, war in der Regel Aufsteiger. Entweder generell in die motorisierte Mobilität oder Aufsteiger im Sinne eines privilegierten Umsteigens - vom Zweirad auf das Auto, um unterwegs ein Dach über dem Kopf zu haben.

Der 1953 auf den Markt gebrachte Lloyd LP 400 war das zweite Modell der nach dem Krieg neu gegründeten Lloyd Maschinenfabrik G.m.b.H. (später Lloyd Motoren Werke). Der etwas an den Sachsenring-Trabant erinnernde Kleinstwagen – 3,45 Meter Außenlänge – besteht aus einem Zentralrohrrahmen sowie einer Karosserie aus kunststoffüberzogenen Sperrholzelementen. Im Laufe seines Lebenszyklus erhielt der Vierhunderter allerdings sukzessive Stahlblech – zunächst spendierten ihm die Techniker lediglich Seitenteile aus Blech, später wurden auch die restlichen Karosseriebereiche metallen. Was den LP 400 allerdings während seiner gesamten Bauphase auszeichnete, sind sein unsynchronisiertes Dreigang-Schaltgetriebe sowie der 10 kW/13 PS starke und 386 Kubikzentimeter große Zweitakt-Zweizylinder. So musste der Lloyd nicht nur mit Benzin, sondern auch mit Öl betankt werden.

Wie kommt man mit einem solchen Gefährt wohl voran? Also, rasch die „Selbstmördertüren“ (sind an der B-Säule angeschlagen) öffnen und rein in den schaukligen, weich gefederten Winzling. Man sitzt kuschlig zusammen, sofern ein Beifahrer Platz genommen hat, ist aber immerhin vor dem Wetter geschützt. Der Blick nach vorn erfasst die Fahrbahn durch die steil stehende Windschutzscheibe, aber gleichzeitig auch die spartanische Armaturentafel, die nah an der Brust der Passagiere liegt. Sie wurde stilsicher in Wagenfarbe lackiert und wird damit zum interessantesten innenarchitektonischen Objekt. Viel abzulesen oder zu bedienen gibt es schließlich nicht außer der Geschwindigkeit oder dem Choke – der ist ungemein wichtig beim Kaltstart.

Rängdängdängdäng, so ertönt es, wenn der Anlasser das Maschinchen zum Leben erweckt. Nur zur Erinnerung: 13 Pferdestärken setzt der Öl verbrennende Zweizylinder frei und muss 500 kg Leergewicht plus menschlicher Fracht schleppen. Das Kupplungspedal ist zwar leichtgängig, ragt allerdings in einem recht flachen Winkel aus dem Bodenblech, so dass man konzentriert drücken muss. Der erste Gang ist leicht eingelegt mit dem massiven Hebel der so genannten Krückstock-Schaltung, gespannt zu sein hat man auf die beiden weiteren Übersetzungen. Viel Schleifpunkt existiert gefühlt schon mal nicht, dann rollt der betagte Kleinstwagen an, dessen minimalistischer Motor gar nicht mal so schnell abgewürgt werden kann. Dann – Achtung! – bitte kuppeln, Gang schnell herausnehmen, auskuppeln und wieder einkuppeln, in den Zweiten schalten, auskuppeln. Jawohl, klappt halbwegs geräuscharm, aber nie ganz geräuschlos. Das Herunterschalten gestaltet sich allerdings schwieriger. Geschmeidig funktioniert das nur dann, wenn Getriebe- und Motordrehzahl in dem Moment exakt passen, da die Zahnräder gegeneinander verschoben werden. Doppeltes Kuppeln hilft natürlich – und ein bisschen Übung.

Im Notfall hält man einfach mal an, denn: Der nachfolgende Verkehr muss sich ohnehin auf den kleinen Lloyd einstellen. Mehr als 80 km/h (Tacho) sind kaum drin, und Steigungen drücken aufs Tempo, bevor man den Anstieg überhaupt wahrnimmt, schlimmstenfalls geht es eben in den ersten Gang zurück. An überholende Verkehrsteilnehmer muss man sich gewöhnen. Doch bloß nicht stressen lassen. Der LP 400 macht einen Riesenspaß, denn es geht hier mal so gar nicht um Performance, sondern um die Fortbewegung. Schließlich kommt man mit 13 PS proper vom Fleck und meistert sogar veritable Steigungen.

Der olle Bremer Winzling entschleunigt also ungemein. Das Fahren ist pur und durchaus anspruchsvoll, mit dem Getriebe sollte man eine Weile trainieren, um damit virtuos umgehen zu können – sofern man nicht geübt ist. Es ist ein schönes Gefühl, ein Stück bundesrepublikanische Automobilgeschichte zu fahren, und der Lloyd erntet fast mehr nach oben gerichtete Daumen und grinsende Gesichter als manch teurer Supersportler. Wer selbst ein bisschen schrauben kann, ist natürlich im Vorteil. Es fahren noch zwischen 300 und 400 Lloyd auf deutschen Straßen, so dass Hilfe zu finden ist. Nach einer kleinen Tour mit dem Zweitakter, der preislich je nach Zustand noch im vierstelligen Bereich liegt, steht ganz klar fest: Der Lloyd LP 400 erfreut!

Fotos: Patrick Broich/SP-X

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