Peugeot 504: 50 Jahre Coupé und Cabrio

Der Konkurrenz blieb damals die Luft weg: Ausgerechnet Peugeot, dieser Inbegriff bürgerlich-solider Mittelklasse-Automobile, wies im Frühjahr 1969 mit den extravaganten Zweitürern 504 Coupé und Cabriolet den Weg in eine neue Ära des automobilen Luxus.

An die Stelle des Status-Exhibitionismus und Chrom-Protzes der zurückliegenden Wirtschaftswunderjahre trat plötzlich stilvolle Eleganz, denn Angeberei war nach den gesellschaftlichen Umwälzungen von 1968 verpönt. Ein Trend, den Peugeot und der italienische Stardesigner Pininfarina schon Mitte der 1960er Jahre antizipierten, als die ersten Studien für den Nachfolger des legendären Mittelklassemodells 404 entstanden. Zwar erfolgte die Formenfindung für die Coupé- und Cabrio-Varianten des künftigen 504 im Concours zwischen den Peugeot- und Pininfarina-Designateliers, aber Sergio Pininfarina war siegesgewiss: „Ob es um die zwischenmenschlichen Beziehungen geht, ob um Qualität, Entwicklung oder die Zusammenarbeit – wir (Pininfarina und Peugeot) haben seit langem ein perfektes Verständnis.“ Tatsächlich wurden die luxuriösesten 504 in italienische Alta Moda gekleidet und weitgehend im Pininfarina-Werk vor den Toren Turins gebaut. Welche Strahlkraft die zweitürigen 504 hatten, zeigte sich bei den ersten Messeauftritten der neuen Peugeot-Prestigeklasse. Kein Königshaus und kein Präsident, der nicht beim üblichen Messerundgang die zukunftsweisende Ästhetik dieser Peugeots würdigte.

Verkörperte die 1968 eingeführte Peugeot 504 Limousine noch das traditionelle komfortable französische Familienauto, transferierten die vor 50 Jahren lancierten kostspieligen 504 Coupés und Cabriolets viel von der Exklusivität der Oberklasse in die gehobene Mittelklasse. Technisch glänzten die 504 durch Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen an allen vier Rädern – damals nicht einmal bei Supersportwagen selbstverständlich – und mit dem Besten, was der französische Motorenbau hervorbrachte. Zunächst war dies ein 1,8-Liter-Vierzylinder mit Benzineinspritzung, aber im Herbst 1974 zeichneten die Zweitürer für ein Ereignis von nationaler Bedeutung verantwortlich: Optional waren sie nun mit einem V6-Triebwerk erhältlich, dem ersten neuen Sechszylinder französischer Entwicklung und Produktion seit 1945. Ursprünglich hatte das bis 106 kW/144 PS starke 2,7-Liter-Triebwerk sogar ein V8 werden sollen, dann aber führte die Energiekrise von Ende 1973 zu einer Verkleinerung dieser gemeinsam von Peugeot, Renault und Volvo entwickelten Maschine.

Vorgestellt wurden die Peugeot V6 auf dem Pariser Salon 1974 in Anwesenheit des französischen Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing. Schließlich galt es, die Rückkehr der französischen Industrie ins automobile Oberhaus zu feiern. Schon beim allerersten Auftritt von Peugeot 504 Coupé und Cabriolet in den Pariser Messehallen 1969 ließ es sich der damalige Präsident Georges Pompidou nicht nehmen, die exklusiven Peugeot als perfekt proportionierte Designpretiosen zu würdigen. Auch Belgiens König Baudouin zeigte sich beim Brüsseler Salon 1970 begeistert ob der Ästhetik der bei Pininfarina gebauten Peugeot, und bei der Londoner Earls Court Motorshow lenkten die glamourösen französisch-italienischen Lifestylemodelle zur Freude der königlichen Ehrengäste von den Diskussionen um den Generalstreik bei britischen Volumenherstellern ab.

Sogar in Skandinavien sorgten die Peugeot mit ihrem südeuropäischen Esprit für Furore, so soll der autoaffine schwedische Thronfolger Prinz Bertil das 504 Coupé als fast ebenso attraktiv eingeschätzt haben wie die von ihm sonst bevorzugten Pininfarina-Ferrari. Tatsächlich wirkten die sportiven 504 schon im Stand schnell, denn die Karosserie-Überhänge waren kurz und mit einer lang gestreckten Motorhaube kombiniert sowie einem sanft ausschwingenden Heck. Hinzu kam die großzügige Verglasung der Kabine mit filigranen Dachpfosten. So entstand der Eindruck einer durchgehenden seitlichen Fensterfront und eines schwebend leichten Dachpavillons. Ein klares Design, das manche Kritiker an die damals modernen, lichten Luxus-Bungalows erinnerte und sich wie diese Architektur auf wenige, dafür außergewöhnliche Zierelemente beschränkte. Etwa die dreigeteilten Rückleuchten beim 504, die eine Anspielung auf das Peugeot-Wappentier, den Löwen, enthielten.

Dieser Chic war allerdings mit ebenso beeindruckenden Preisschildern ausgezeichnet: Mindestens 17.000 Mark kostete das 504 Cabriolet und sogar 17.700 Mark das Coupé. Damit waren die Zweitürer 70 Prozent teurer als die viertürigen Peugeot 504 und schon als Vierzylinder fast auf einem Preis-Niveau mit Porsche 911 T, Mercedes S-Klasse, BMW 2800, Alfa 2600 oder Chevrolet Camaro V8. Tatsächlich diente die Linienführung eines extra erworbenen Camaro Hardtop-Coupés Pininfarina sogar als Referenz beim Entwurf des trotzdem eigenständig gezeichneten 504 Coupé.

Kostspieliges kann besonders begehrenswert sein, diese Erfahrung machte Peugeot erstmals mit den elitärsten Varianten des 504. Denn deren hohe Preise schreckten die kaufkräftige Kundschaft nicht. Vielmehr war diese willens, wie bei einem eigens geschneiderten Maßanzug von Brioni auch die langen Lieferzeiten der Pininfarina-Kreationen zu akzeptieren. Insgesamt wurden 26.476 Coupés und 8.185 Cabriolets verkauft, und das ohne nennenswerte Designmodifikationen in fast 15-jähriger Produktionszeit. Sogar neben der 1978 eingeführten Peugeot 505 Limousine gaben sich die zweitürigen Versionen des Vorgängers noch so zeitlos elegant, dass eine bereits entwickeltes 505 Coupé in die Asservatenkammer geschoben wurde.

Ein Schicksal, das allerdings die avantgardistischste Ausführung des 504 teilen musste. Auf dem Pariser Salon 1971 demonstrierte Pininfarina, wie sich die Carrozzeria einen Shooting Brake auf Basis des 504 Coupé vorstellt, der sogar die Sportkombi-Entwürfe von Volvo (1800 ES) und Aston Martin in den Schatten stellte. Ein erfolgreiches Unterfangen: Pininfarinas 504 Riviera Break galt als Leuchtturm für künftige Shooting Brakes – allein: Es fehlte bei Peugeot in Sochaux am Mut für die Serienfertigung. Dort konzentrierten sich alle Kräfte auf die Finalisierung des V6, der zuerst 504 Coupé und Cabrio und ein Jahr später die neue Flaggschifflimousine 604 in höhere Sphären beschleunigen sollte. Zudem zeigte die Löwenmarke mit dem Sechsender auf den härtesten Rallyepisten allen Rivalen die Krallen. Coupés können sie, lobte die Motorsportfachpresse die Franzosen, als der 504 V6 die berühmt-berüchtigte Bandama-Rallye gleich zwei Mal gewann.

Die bis heute andauernde Bedeutung des 504 Coupé für Peugeot zeigt sich im aktuellen Konzeptfahrzeug e-Legend, denn diese Studie adaptiert Stilelemente des Klassikers und veranschaulicht so gleichzeitig, wie emotional ein künftiger elektrischer und autonomer Peugeot aussehen könnte. Die Aussichten für eine Serienfertigung des e-Legend sind jedoch vermutlich ebenso gering wie einst beim 504 Riviera.

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