Vor 70 Jahren, genau am 31. März 1949, gründete Abarth gemeinsam mit Armando Scagliarini in Bologna seine Manufaktur für Serien- und Rennwagen unter seinem Sternzeichen, dem Skorpion, wobei er seine Erfahrungen als Motorsportchef von Cisitalia einbrachte.
Den 70. Geburtstag der giftigen Kleinen feiern die Italiener mit einer Gala der schönsten und schnellsten Stachelträger auf dem Genfer Salon und mit der Jubiläumsedition Abarth 595 esseesse im Stil des gleichnamigen, legendären Fiat-500-Tuningtyps der 1960er Jahre. Das soundstarke Geburtstagsständchen dazu spielen die Abarth-Auspuffanlagen, denn diesen klanggewaltigen Trompeten verdankte der Tuning-Pionier Carlo Abarth die stets gut gefüllten Kassen, die den Sportwagenbau ermöglichten. Sogar in einer Armada bollernder V8 und V12 markierten die winzigen Abarth-Vierzylinder akustische Präsenz, so durchdringend brüllten die drehfreudigen Zwerge mittels der nebenbei leistungsfördernden Endrohre. Aber die speziellen Schalldämpfer konnten noch mehr: Sie wurden in Modeboutiquen präsentiert und machten Abarth zur Kultmarke, denn in den Roaring Sixties vermittelte eine nachgerüstete Abarth-Abgasanlage sogar Fahrern von Fiat 600 oder VW Käfer einen Hauch Le-Mans-Feeling.
Fahrzeuge frisieren und schneller machen, dieses Talent wurde dem 1908 in Wien geborenen Karl Abarth offenbar in die Wiege gelegt. Wie eine Legende berichtet, wickelte bereits der kleine Karl Ledergurte um die hölzernen Räder seiner Seifenkiste, um so auf kreative Art den Nachbarskindern davon zu fahren. Später war es dann eine Karriere als Radrennfahrer, Motorradmechaniker, Konstrukteur und von Sieg zu Sieg eilender Racer, die Karl Abarth zu neuen Zielen trieb. Als Abarth Ende der 1930er Jahre ausschließlich unter der Flagge der tricolore italiano startete, nahm er die italienische Staatsangehörigkeit an und änderte seinen Vornamen in Carlo. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es der geniale Mix aus Geschäftssinn und genügend Benzin im Blut, mit dem sich der stets eitle und gut gekleidete Abarth in der Liga italienischer Supersportwagen-Fabrikanten seine Ausnahmestellung sicherte. Früher vertraute Abarth auf die Magie leichtgewichtiger Minis, wie Alpine oder Cooper, die mit bewährter Großserientechnik und gezielten Tuningmaßnahmen sogar Maserati oder Ferrari vorführen konnten.
Seinen ersten Aufschlag platzierte Abarth 1951 mit dem Coupé Abarth 205A, einem von Vignale eingekleideten vormaligen Cisitalia-Sportwagen mit kleinem 1,2-Liter-Motor, der es dank Leichtbau mit fast doppelt so starken Alfa Romeo aufnahm. Mit der Rennversion Abarth 204A feierte Grand-Prix-Superstar Tazio Nuvolari damals den Abschluss seiner Karriere. Als cleverer Marketingstratege wusste Abarth auch um den Wert von Weltrekorden für die Finanzierung neuer Serienautos und den Unterhalt eines eigenen Renngeschwaders. So lieferte der 1955 vorgestellte Fiat 600 das technische Gerüst für den Stromlinienmonoposto Abarth 750 Bertone, der ein Jahr später in Monza eine ganze Serie von Rekorden aufstellte. 1957 war es dann ein von Pininfarina gestylter Abarth 500 Record Monoposto auf Basis des damals neuen Fiat 500, der mehr als ein halbes Dutzend Bestwerte realisierte. Damit der PS-Zauberer sich persönlich ins Cockpit seines rasanten Zwerges zwängen konnte, nahm Carlo Abarth mittels einer Apfel-Diät um 30 Kilogramm ab. Noch als 57-jähriger fuhr er den einhundertsten Weltrekord für sein Unternehmen ein.
Es waren diese Rekorde mit modifizierten Fiat 500 und Fiat 600, die Abarth einen sensationellen Vertrag mit Italiens Industriegiganten bescherten, der sportliche Siege in Serie sichern sollte. Für jeden Rennsieg und jede Rekordfahrt mit einem Turiner Produkt garantierte Fiat eine Prämie und so verging bis Anfang der 1970er Jahre kaum ein Wochenende, ohne dass italienische Sportgazetten einen Abarth-Triumph vermeldeten.
Carlo Abarth besaß an den Rennstrecken eine Autorität wie sonst nur Enzo Ferrari. Im Serienwagenbau war er der Commendatore über wirklich alle kompakten Fiat, die er geradezu irre schnell machte. Ob Fiat 500, 600 oder 850: Unter Abarth-Regie reiften die sanften Winzlinge zu wilden Wüstlingen mit harmlosen Typencodes wie Abarth 595, 695, 750, 1000, OT 1300 oder OT 2000. Was sich dahinter verbarg? Drei Beispiele: Der Abarth OT 2000 transformierte 1966 das harmlose, 35 kW/47 PS starke Fiat 850 Coupé zur 136-kW/185-PS-Bestie, die Jagd auf 240 km/h schnelle V12-Ferrari machte. Der mit dem Fiat 600 verwandte Abarth 1000 Gr2 ließ bei 8.200 Touren furiose 74 kW/100 PS los, die 1970 genügten, um sich mit Porsche 911 zu messen. Und der Fiat Cinquecento zeigte als Abarth 595/695, wie ein Zweizylinder-Muscle-Car magnetisieren kann: Auf Straße und Strecke stahlen die ungezogenen Bambini meist auch kräftigeren Kerlen wie dem Mini Cooper die Show.
Neben Fiat veredelte Abarth auch diverse Porsche oder Simca-Hecktypen – dem viertürigen Simca 1000 verpasste der Maestro eine aufregende GT-Karosse und den Typencode Abarth Simca 1300 – das Hauptgeschäft bildete aber Fiat. Anfang der 1970er Jahre endete die Ära der spektakulären Heckmotormodelle, für Abarth Anlass ins Beratergeschäft zu wechseln und seinen Namen sowie Fertigungsstätten an Fiat zu veräußern. Der Massenhersteller nutzte die Motorsport-Kompetenz, zunächst um die Renndivision Abarth Corse aufzubauen, mit dem Fiat 131 Abarth drei Rallye-WM-Marken-Titel einzufahren und 2007 die Marke in neuer Eigenständigkeit zu positionieren. Wie sagte schon Carlo Abarth: „Echte Kerle wollen zu allen Zeiten Leistung, keinen Komfort.“ Dafür müssen heute allerdings zwei Baureihen genügen, denn das Abarth-Muskelaufbauprogramm gibt es nur für Fiat 500 und 124 Spider.
Fotos: FCA Automobiles