Kommt der Markt der Elektro-Fahrzeuge jetzt doch endgültig in die „Puschen“? Nach den Absatzzahlen von 2017 und der steigenden Kurve an Zulassungen sowohl im privaten wie auch im gewerblichen Bereich hofft man das nicht nur bei Nissan, sondern ist fest davon überzeugt. Der Zeitpunkt scheint günstig, denn dieser Tage bringen die Japaner die zweite Generation des ohnehin weltweit schon sehr erfolgreichen Modells „Leaf“ auf den Markt. Kein Update der Erstlings-Ausgabe, sondern ein – so der Hersteller – komplett neues Auto. Heißt: Neue (stärkerer) Batterie, mehr Leistung, erheblich vergrößerte Reichweite und neue Optik. Kurzum: Ein Auto, hinter dem eine ganze Philosophie von Erwartungen an Stromversorgung und der Stromnutzung steckt.
Auf den ersten Blick wirkt der Neue wie ein ganz normaler Kompakter mit einem Verbrenner unter der Haube. Ähnlich wie auch schon beim Micra hat Nissan dem verspielten „Knuddel-Image“ mittlerweile Adieu gesagt und dem Leaf Nr. 2 ein Äußeres verpasst, dass zwar ganz bewusst „auf Cw getrimmt“ wurde (Wert 0,28) um möglichst windschlüpfig und damit energiefreundlich zu sein. Die optische Zugehörigkeit zur Design-Philosophie war dem Hersteller wichtig: Das erkennt man am markentypischen Kühlergrill, der beiderseits in schmalen LED-Leuchten endet, die jeweils eine eigenständige Einheit für Fern- und Abblendlicht aufweisen.
Die Seitenlinie wird von einer Falz über den Schwellern dominiert. Die schmalen Rückleuchten wurden bis in die Seiten hinein gezogen. Um einen möglichst geringen Luftwiderstand aufzubauen, wurden der Unterboden, das Design der Radhäuser und Räder und die eigens dafür ausgeformte Heck-Stoßstange besonders intensiv konturiert. Ein Aufwand, der mit zum erwähnten Cw-Wert von 0,28 beigetragen hat.
Im Interieur hat sich ebenfalls Einiges zum leichteren Verständnis und zu einfacherem Bedienungskomfort getan. Wo bisher ein virtuelles Bäumchen über den Fahrstil des Fahrers und die damit „verschwendete“ Energie Auskunft gab, wurde jetzt ein beidseitiges Kombi-Display geschaffen. Der analoge Tacho auf der rechten Seite informiert über die Geschwindigkeit. Die digitalen Anzeigen auf der linken Seite geben Auskunft über verbliebenen Ladezustand, die damit verbundene Rest-Reichweite und die erzielte Rekuperation. Geblieben ist der blau illuminierte Knauf zum Einstellen der verschiedenen Fahrmodi. Da die Außenmaße des neuen Leaf nahezu identisch mit denen des Vorgängers sind (4,49 Meter Länge, 1,79 Meter Breite, 1,54 Meter Höhe), entsprechen auch die Platz-Kapazitäten für die Insassen denen des Vorgängers.
Das Hauptaugenmerk aber liegt bei einem Fahrzeug, das dem Verbrennungsmotor abschwört, weniger bei den gängigen Parametern wie Aussehen, Platz, Komfort etc. als beim Antrieb. Und gerade auf diesem Gebiet hat sich beim Leaf der zweiten Generation eine Menge getan, ist der Stromer – wenn auch noch nicht dort angekommen – aber zumindest auf dem Weg zum Alltäglichen.
Das belegt in erster Linie die erheblich effektivere Akku-Einheit. Die hat zwar exakt die gleichen Ausmaße wie das Vorgänger-Modell, glänzt aber mit einer sehr viel höheren Speicherkapazität. Selbige liegt nun bei 40 kw/h, was die Energie-Dichte der Lithium-Ionen-Zellen um rund zwei Drittel erhöht hat.Das sorgt vor allem für andere Dimensionen bei der Reichweite. Bei diesen Zahlen hat mancher Kunde immer noch Probleme mit der Einordnung, weil die Kürzel von Messverfahren nur den wenigsten Endverbrauchern geläufig sind. (Geschweige denn, dass man sie auch noch einordnen und beurteilen kann).
Inzwischen gibt es ein neues, näher an der Realität angesiedeltes Messverfahren mit Namen WLTP. Dieses Kürzel steht für World Harmonized Light Vehicle Test Procedure. Bisher wurde nach dem sogenannten NEFZ-Verfahren gemessen, was für „Neue Europäische Fahrzyklus“ steht, Dessen Werte aber ergaben sich aus Tests auf dem Rollen-Prüfstand und nicht auf der Straße, weshalb man den Ergebnissen mitunter eine gewisse Realitätsfremde nachgesagt hat.
Nach dem neuen WLTP-Testverfahren beträgt die Reichweite im Stadtverkehr für den neuen Leaf nun 415 Kilometer. Im kombinierten Zyklus von Stadt und Überlandverkehr soll er bei 285 Kilometern liegen. Das Aufladen funktioniert wie bisher über eine der beiden Steckdosen an der Front des Fahrzeugs. Auch dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, in welcher Zeit dem Fahrzeug welche Menge an neuer Energie zugeführt werden kann.
So lässt sich der Akku an einer Hochleistung-Steckdose in 40 bis 60 Minuten bis zu 80 Prozent aufladen. Zum Teil erheblich länger dauert es bei den anderen Optionen. So benötigt man an der Wallbox für eine Vollladung etwas mehr als acht Stunden. Problematischer wird es, wenn man de Leaf an eine normale Steckdose im Haushalt anschließt. Dann vergehen 21 Stunden bis zur Komplett-Füllung der Speicher.
Dass sich der neue Leaf auf dem Weg zur Alltagstauglichkeit befindet, wird auch an der Anzahl vieler Assistenz-Systeme deutlich, die in vergleichbaren Modellen mit konventionellen Motoren längst gang und gäbe sind. Dazu gehört neben Stau- und teilautonomen Spurhalte-Assistenten auch ein Einpark-Automat, der den Stromer ohne Zutun des Fahrers in eine Parklücke bugsiert.
Am Preis von Elektro-Fahrzeugen scheiden sich immer noch die Geister. Das gilt für den neuen Nissan Leaf genauso wie für vergleichbare Konkurrenz-Modelle anderer Hersteller. In diesem Falle beträgt der Einstandspreis 31.950 Euro, was aber immer noch um Einiges unter der Forderung der Hersteller von ähnlichen Stromern rangiert.
Über unsere ersten Fahreindrücke mit dem neuen Nissan Leaf werden wir zeitnah berichten.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Nissan