Eine Allianz des Besonderen:„Le Tour“ und der 14. Juli

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Für einen französischen Radprofi gibt es nichts Größeres als ausgerechnet am 14. Juli, am Nationalfeiertag der stolzen Nation, eine Etappe des größten Radrennens der Welt zu gewinnen. An diesem Tag ist das Land von der belgischen bis an die spanische Grenze, vom Atlantik bis in die „Haute Savoie“ in den Alpen im Ausnahmezustand.

Seit mittlerweile 20 Jahren begleite ich nun dieses Riesenspektakel quer durch Frankreich, aber der „quatorze juillet“ ist immer etwas Besonderes. Dann, wenn die „Grande Nation“ dem Sturm auf die Bastille im Jahr 1789 gedenkt, schwillt das Herz der Franzosen ohnehin noch ein bisschen mehr vor Stolz und Erhabenheit an, als das sonst schon ohnehin bei „le Tour“ der Fall ist.

In diesem Jahr durchfährt der Tross den Nationalpark in der Ariège, einem besonders wilden Teil der französischen Pyrenäen. Ein komprimierter Etappen-Abschnitt von nur rund 100 Kilometern mit vielen technisch schwierigen Anstiegen und rasenden Abfahrten. Im vergangenen Jahr führte der Weg ausgerechnet am Nationalfeiertag hinauf den Mont Ventoux, den gefürchteten „Kahlen Berg“ mitten in der Provence. Es schien, als hätte sich die halbe Nation an diesem Tag dort im Süden versammelt, um Teil des Anlasses zu sein.

Wann immer es geht, hat sich die Tour-Direktion für dieses Datum etwas Besonderes ausgedacht. Als vor einigen Jahren der traditionelle zweite Ruhetag am Montag auf einen 14. Juli fiel, wurde dieser gar verschoben und eine Etappe an diesem Tag eingebaut. Ein 14. Juli ohne eine Tour-Etappe, das ist ein Ding der Unmöglichkeit in Frankreich. Das ganze Land steht still an diesem Tag, es zählt nur eines: Le Tour.

Auch in den 1990er Jahren, als das Feld vom Elsass herüber durch die Schweiz bis in den deutschen Etappenort nach Freiburg ging, wurde der Zeitplan der Tour so geändert, dass diese Etappe einen Tag später ausgetragen wurde. Ein deutsches Etappenziel am französischen Nationalfeiertag: Ein Ding der Unmöglichkeit. Es hätte einen Aufschrei unter den Radsport-verrückten Franzosen gegeben.

Schon lange hat der französische Radsport keinen potenziellen Gesamtsieger mehr, einen der die Nachfolger der Heroen wie Anquetil oder Hinault antreten könnte. Teilerfolge sind daher umso wichtiger. Und wenn sie dann noch am Nationalfeiertag stattfinden, dann ist die Symbolik noch umso größer: Seht her, wir sind noch wer. Wer also an diesem Freitag die Gelegenheit hat, sich das Spektakel in unserem Nachbarland am Bildschirm einmal an zu sehen, der sollte das tun. An keinem anderen Tag wie diesem ist Frankreich so sehr Frankreich. Ist in sich selbst verleibt.

Der 14. Juli und „le Tour“. Das ist eine immerwährende Allianz des Großen und Besonderen.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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