Schönheit, sagt eine gerne zitierte Weisheit, liege in der Regel im Auge des Betrachters. Eine Behauptung, die sicherlich auch auf die Karosserieform eines Automobils anzuwenden ist. Gerade bei Coupés, denn dort ist sie am meisten gefragt: Die Kunst des richtigen Weglassens. Gilt doch gerade beim Coupé (aus dem französischen: couper = abschneiden) weniger ist manchmal mehr. Viel mehr sogar.
Coupés gelten, derweil sie sehr flach, gestreckt, stromlinienförmig und damit dynamisch wirken, als die schönste Fahrzeuggattung. Nicht aber als die praktischste und die mit dem höchsten Nutzeffekt. Dass man beides aber auch auf ebenso effektive wie Silhouetten schonende Weise miteinander verbinden kann, zeigt im Fahrbericht der Audi S5.
Der neue S5, Nachfolger eines nicht eben von optischer Einfallslosigkeit geprägten Automobils, betört durch klassische Schönheit der Formen. Durch ein Stück schnörkelloser Erhabenheit. Auch in der Einfachheit, im Verzicht, kann der Reiz der Bildgebung bei einem Fahrzeug der Oberklasse liegen. Dieses Fahrzeug wird mit seiner exzellenten Harmonie, mit dem Gleichklang der optischen Elemente, auf Dauer seinen Platz in der Kategorie „Sinne betörend“ beanspruchen.
So ausdrucksstark in seiner unprätentiösen Erhabenheit, so kraftvoll und akustisch unwiderstehlich ist auch der Motor. Der 354 PS starke Turbobenziner, mit sechs Töpfen schöpft aus seinen drei Litern Hubraum 354 PS. Im Verbund mit den 500 Newtonmetern Drehmoment, die auf einem unglaublich breiten Band zwischen 1.370 und 4.500 U/min anliegen, ist dieser Kraftkerl ein Quell der Freude. Abgeriegelt wird bei Tempo 250, mehr bleibt dem für Ende des Jahres angekündigten neuen RS5.
Alles Voraussetzungen also, um die Ingolstädter Schönheitskönigin ebenso entspannt zu bewegen, wie sie aber auch plötzlich mit brachialer Gewalt an ihr Limit zu treiben. Das zusätzliche Sahnehäubchen beim gemeinsamen Schaulauf von Ästhetik und Potenz ist das Zusammenspeil des immer zur Verfügung stehenden Allradantriebs Quattro und der Achtgang-Wandler-Automatik.
Da erübrigt sich mitunter auch der ansonsten immer wieder lockende Griff zu den beiden manuellen Schaltpaddeln am Lenkradkranz. Das Fahrwerk, eine Mischung aus Nordschleifen-Charakteristik und Sessellehnen-Gebaren, macht auch den schnellen „Ritt“ über Hunderte von Autobahn-Kilometern zur angenehmen Beschäftigungstherapie.
Ach ja, und da gibt es ja noch die Frage des Alltagsnutzes. Hinter der elektrisch öffnenden Heckklappe stehen mindestens 480 Liter an Stauraum zur Verfügung. Angemessen, nicht überragend. Die ultralangen Türen erleichtern den Ausstieg in engen Parklücken nicht eben. Und das Erreichen des Fonds gestaltet sich mit zunehmendem Verlust der eigenen Jugend zur gymnastischen Übung. Doch „Miss Ingolstadt“ fordert mit ihren betörenden Formen eben auch Tribut.
Unser Fazit: Sinnliches Design, erotische Formen bei einem Automobil können auch schlicht durch die Kunst des richtigen Weglassens entstehen. Genuss durch Verzicht eben.
Technische Daten Audi S5
Ausführung: Zweitüriges, viersitziges Coupé
L/B/H: 4,69/1,85/1,37 Meter
Kofferraum-Volumen: 465 Liter
Motor: Sechszylinder Benziner mit Turbo-Aufladung
Leistung: 354 PS
Drehmoment: 500 Nm von 1.370 bis 4.500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt)
Verbrauch (Audi/eigener): 7,3/10,4 Liter auf 100 km
Preis: ab 62.500 Euro (Testfahrzeug 82.765 Euro)
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Audi