Kompakte Muscle Cars, ein Kult in den USA, der vor 50 Jahren seinen Höhepunkt erreichte als harmlose Familiencoupés mit mächtigen V8 unter der langen Haube zu brisanten Geschossen mutierten. War der Pony-Express einst im Wilden Westen das schnellste Transportmittel, übernahmen nun bezahlbare Pony Cars diese Aufgabe. Ford machte es 1964 mit dem Mustang vor und Erzkonkurrent Chevrolet konterte zwei Jahre später mit dem Camaro. Coupés und Cabriolets, die maximale Power zu minimalen Preisen boten, bisweilen aber schneller aussahen als sie tatsächlich über die Viertelmeile donnerten. Denn zum Erfolgsrezept von Mustang wie auch Camaro zählten volkstümliche Basisversionen, die erst durch Häkchen an die endlosen Optionenlisten erstarkten.
Andererseits sollte der mittlerweile über fünf Millionen Mal verkaufte Camaro als Mustang-Killer Karriere machen und dazu waren heiße Motoren notwendig. Weshalb Chevrolet-Chef und Leistungsfetischist Peter Estes – unter ihm entstand der Pontiac GTO als Urvater aller Muscle Cars – die Premiere des Camaro mit einem Donnerschlag ausklingen ließ. Als Journalisten fragten, was der so harmlos klingende Name Camaro bedeuten sollte, antworteten Chevrolet-Mitarbeiter: „Ein kleines, böses Tier, das Mustangs frisst.“ In den Verkaufsstatistiken klappte das seltener, aber auf Teer und Tarmac stob der Camaro in bitterbösen Versionen davon. Sei es 1969 als 427 kW/580 PS starker, unschlagbar schneller ZL-1-Dragracer oder heute, in sechster Generation als „50th Anniversary Edition“ mit Tempo 290 und 6,2-Liter-V8.
Da hat der aktuelle Mustang mit kleinerem 5,0-Liter-V8 und bei 250 km/h kastrierter Vmax klar das Nachsehen. Andererseits konnte der Camaro in den Absatzzahlen schon in seinem Geburtsjahr keine blutigen Schlagzeilen als „Mustangfresser“ machen. Über 220.000 verkaufte Camaro waren 1966 zwar für sich genommen ein stolzes Resultat für das Ponycar, das GM unter dem Codenamen Panther entwickelt hatte. Aber es war ein bescheidenes Ergebnis gegenüber den 680.000 Mustangs, die Ford in dessen Auftaktjahr verkauft hatte. Gemeinsam waren Camaro und Mustang sogar so stark, dass andere Compact-Coupés wie AMC Javelin oder Plymouth Barracuda keine Chance hatten, in den Zulassungscharts nach vorn zu fahren. Spannender war der 1967 aufgelegte Zwillingsbruder des Chevrolet Camaro, der Pontiac Firebird. Allerdings achtete Mutter GM durch strikte Markentrennung darauf, dass sich Camaro und Firebird nie wirklich ins Gehege kamen, bevor der Firebird 2002 eingestellt wurde. Dessen Konzernkamerad Camaro – manche Medien mutmaßten sogar, der Name Camaro beziehe sich auf das französische Wort camarade (Kamerad) – durfte deshalb ab der fünften Generation dem Ford Mustang allein in die Spur fahren.
Ähnlich wie am Anfang, als es den Ur-Camaro wahlweise mit harmlosem 3,8-Sechszylinder gab oder mit bitterbösem 6,5-Liter-V8 und „SS“-Typencode. Wirklich giftig wie sonst nur die Ausgeburten des Carroll Shelby für Ford war der 1967er Camaro mit Z/28 Performance Package. Ein straßentaugliches Renntier für die Trans-Am-Serie, dessen 4,9-Liter-Small-Block-V8 nominell nur 213 kW/290 PS bei 5.300 Touren abgab. Mit diesem Trick konnten die Versicherungsprämien unter Kontrolle gebracht werden. Die Wahrheit sah so aus: Bei 7.000 Umdrehungen und dank Vierfach-Vergaser entfesselte der 4,69 Meter kurze und 1.390 Kilogramm leichte Chevy 268 kW/360 PS, mit zwei Vierfach-Vergasern mindestens 298 kW/400 PS. Zur Einordnung: Ferraris V12-Fighter ließen sich damals in Europa feiern, weil sie gerade die 300-PS-Grenze geknackt hatten.
Noch mehr Feuer fürs Image und höhere Verkaufszahlen für die ganze Camaro-Reihe brannte 1969 die Topversion ZL-1 in die Geschichtsbücher. Den Bestie ZL-1 gab es unter dem legendären Bestellcode 9560 mit handgefertigtem 7,0-Liter-V8, der in den Papieren 316 kW/430 PS freisetzte, in Wahrheit jedoch 550 bis 580 PS. Heimlichtuerei war damals nötig, denn offiziell wollte General Motors abrüsten, um die amerikanischen Straßen sicherer zu machen. Wer eine der nur 69 gebauten ZL-1 ergatterte, war bei Viertelmeilen-Rennen unschlagbar, musste aber rekordverdächtige Verbrauchswerte von 50 Liter einkalkulieren!
Mit der 1970 gestarteten zweiten Generation des Camaro war das Wettrüsten unter den muskulösen Pony-Cars vorläufig beendet. Die 1971 eingeführten exorbitant hohen Versicherungsprämien für Supercars und die im Folgejahr verabschiedeten Verbrauchsvorschriften der EPA-Behörde ließen die Zulassungszahlen schrumpfen. Und dann gab es auch noch die Ölkrise von 1973/74 und das berüchtigte 55-Meilen-Tempolimit. Wichtiger als Vmax waren deshalb schnell aussehende Formen und die konnte der Camaro besser liefern als der Mustang. Tatsächlich war der zweite Camaro so gelungen, dass er zwölf Jahre in Produktion blieb und erst im Modelljahr 1979 mit 283.000 Zulassungen sein Allzeithoch erreichte. Auf Vierzylinder wie im Mustang verzichtete Chevrolet vorläufig, aber mit einem 85 kW/115 PS schwachen 3,8-Liter-V6 erlaubte sich der Camaro 1980 ebenfalls einen Tiefpunkt.
Den ersten von Grund auf neu entwickelten Camaro zeigte Chevrolet im Januar 1982. Die fast schon europäisch klar konturierte, dritte Generation des Sportcoupés verzichtete sogar auf die klassischen hinteren Blattfedern, nicht aber auf Downsizing-Vierzylinder. Immerhin gab es optional noch V8 und diese ab 1987 sogar im respektablen 5,7-Liter-Hubraumformat. Als schneller Imageträger wurde schon 1985 der Camaro IROC-Z ins Programm genommen, benannt nach dem „International Race of Champions“, bei dem der Chevy-Sportler auch selbst mitmischte. 1990 erstarkte der V8 auf 182 kW/248 PS – der beste Wert seit 16 Jahren und ein schönes Finale für die kantige Camaro-Generation.
Rundgelutscht ging es 1993 weiter, zunächst mit einem 3,4-Liter-V6 und im Z28-Topmodell mit dem 5,7-Liter-V8. Anfangs war der Camaro No. 4 nur als Coupé verfügbar, aber 1994 folgte doch ein Cabriolet. Vordergründig schien der vierte Camaro alles mitzubringen, was der Zeitgeist verlangte. Allerdings fehlte es bei genauerem Wettbewerbsvergleich doch an ausreichendem Temperament. So übertrafen bereits profane japanische Vierzylinder-Coupés die 118 kW/160 PS des Sechszylinder-Camaro, dessen Verkaufszahlen in den Keller stürzten. Für Chevrolet Anlass, das Sportcoupé 2002 ersatzlos einzustellen.
Dann aber feierten Kult-Coupés anderer Marken umjubelte Revivals. Allen voran der Nissan Z, aber auch die Mazda RX-Sportwagen und schließlich Erzfeind Ford mit dem Mustang. Da muss noch was gehen, dachte Chevrolet und transformierte die Formen des 1969er Camaro ins 21. Jahrhundert. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Mehr PS pro Euro als in der fünften Camaro-Generation gab es nirgends. Die Bestien mit 318 kW/432 PS-Herzen brüllten nach Burnouts, zur Freude ihrer meist extrovertierten Fahrer endlich auch wieder in Deutschland. Noch besser macht es heute der sechste Camaro, den es nächstes Jahr auch wieder als ZL1 gibt. 478 kW/650 PS stark und 300 km/h schnell!
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Chevrolet/SP-X