Heute sind es Downsizing-Vierzylinder, mit denen die neuen Porsche 718 zum Angriff blasen. Ganz anders vor einem Vierteljahrhundert. Damals punktete der Porsche 968 mit Power aus maximalem Volumen, wurde doch seine 3,0-Liter-Maschine als Hubraum- und Drehmomentgigant unter den Vierzylindern gefeiert. Schon in der 176 kW/240 PS starken Basisversion setzten die Sportcoupés und Cabriolets 305 Nm frei – fast so viel wie der V8 im Ferrari Mondial. Welches Potential der Porsche 968 unter seiner Haube hatte, demonstrierte der fetteste Vierzylinder jener Jahre als im Frühjahr 1993 das Topmodell 968 Turbo S in Produktion ging. Mit 224 kW/305 PS brachte es der 2+2-Sitzer auf eine Vmax von 280 km/h. Mehr Tempo bot damals nicht einmal der 911 Turbo.
Aber auch sparen konnte der 968, denn mit einem Normverbrauch von 7,2 Liter bei 90 km/h unterbot der Porsche alle ähnlich potenten Konkurrenten. Zahlen, die diesen Porsche zu einem Geniestreich erklären. Tatsächlich war er jedoch ein verkannter Geniestreich. Das Frontmotor-Transaxle-Fahrzeug war die letzte Ausbaustufe des 1975 vorgestellten Vierzylindertyps 924 und zugleich Nachfolger des 944. Auch wenn er technisch vieles noch besser machte als seine Vorgänger, an deren Verkaufserfolge konnte der 968 nicht anknüpfen. Zu hohe Preise, zu wenig Image und ein zu betagtes Grundkonzept, urteilten damals viele Sportwagenkäufer über die Coupés und Cabriolets. Wer sich dennoch einen der bis 1995 in gebauten Porsche 968 kaufte, erlebte zuverlässigen Fahrspaß, wie heute auch die Youngtimerszene weiß.
„Wie man aus einer engen Kurve eine schnelle Kurve macht: der Porsche 968“, so präsentierte die Werbeabteilung des Stuttgarter Sportwagenspezialisten im Spätsommer 1991 ihren jüngsten Neuzugang. Der 968 sei „die schönste Art, in der Porsche Tradition fortzufahren.“ Tatsächlich konnte der 968 damals bereits auf eine beachtliche Tradition verweisen, basierte er doch auf dem 16 Jahre zuvor erstmals gezeigten Vierzylindertyp 924. Diese Verwandtschaft mit dem 924 und dem 1981 lancierten, muskulöseren 944 wurde schon beim Betrachten des Glashauses deutlich, obwohl der neue 968 nun immerhin über runde Scheinwerfer und eine stark nach unten gepfeilte Motorhaube verfügte. Damit erhielt das Einstiegsmodell ins Porsche-Programm Designmerkmale, die auch den Elfer und den 928 kennzeichneten. Hinzu kamen Aluräder und Außenspiegel im Look des 911 Turbo. Vor allem aber wurde die Produktion des Vierzylinders mit den modischen Klappscheinwerfern vom Audi-Werk Neckarsulm ins Porsche-Stammwerk Stuttgart-Zuffenhausen verlagert.
Dies nicht nur aus Prestigegründen, sondern auch, um in Stuttgart bessere Auslastung zu garantieren. Immerhin befand sich der Sportwagenmarkt um 1990 in einem Abwärtstrend und die ebenfalls geschüttelte Porsche AG baute in Zuffenhausen sogar Auftragsmodelle wie den Mercedes 500 E und den Audi RS2. Neuen Anschub sollte nun der Porsche 968 bewirken mit der finalen Ausbaustufe des Transaxle-Prinzips aus Vierzylinder-Vierventiler vorn und hinten platziertem Getriebe zwecks besserer Gewichtsverteilung. Mit seinem ursprünglich aus dem 944 S2 stammenden, aber wesentlich weiterentwickelten und auf mindestens 176 kW/240 PS leistungsgesteigerten 3,0-Liter-Vierzylinder-Sauger mischte sich der 968 in ein Sportwagen-Startfeld, das so dicht wie noch nie besetzt war. Neben neuen Europäern wie Alpine A610 Turbo, Audi Coupé S2, aber auch BMW M3 Coupé waren es vor allem Japaner, die ihre schnellen Samurai schickten. In Deutschland erzielten Nissan 300 ZX, Toyota Supra, Subaru SVX oder Mazda RX-7 zwar nur Achtungserfolge. Aber die Amerikaner hielten die serienmäßig vollausgestatteten Nippon-Racer mit Sechszylinder- und Wankelpower wie geschaffen für ihre Highways.
Da hatte es ein Porsche 968 schon schwerer, zumal die Preise für den großen Vierzylinder zwischen 90.000 und 105.000 Mark betrugen. Mehr als die meisten Rivalen forderten und gut 10.000 Mark mehr als der vergleichbare Vorgänger kostete. Dieser Porsche 944 hatte sich auch in den USA zu einem Bestseller entwickelt und rollte zeitweise in über 25.000 Einheiten pro Jahr von den Produktionsbändern. Entsprechend bestürzend waren die Absatzzahlen des Porsche 968, der es in vierjähriger Bauzeit insgesamt nur auf rund 12.800 Einheiten brachte, davon rund 4.000 Cabriolets. Daran änderte auch der 1992 nachgeschobene 968 CS nichts, der mit abgemagerter Serienausstattung über 17.000 Mark billiger war als der reguläre Porsche 968. Und auch die enthusiastischen Urteile der Fachwelt fruchteten wenig. „Bester Vierzylinder-Saugmotor der Welt“, meinten die Medien und erläuterten, dass der mit Einlassnockenwellen-Steuerung und neuem Kurbelwellentrieb nachgeschärfte 16-Ventiler nicht nur der hubraumstärkste Vierzylinder sei. Sondern auch der leistungsstärkste mit mehr als 100 Nm Drehmoment pro Liter Hubraum und der schnellste mit mindestens 255 km/h Höchstgeschwindigkeit. Als erster Porsche erhielt der 968 ein manuelles Sechsganggetriebe, eine Schaltung, über die damals sonst nur Lotus Omega, BMW 850i und Audi 100 S4 verfügten. Und noch eine technische Delikatesse hielt beim Porsche 968 Einzug: Noch vor dem Topmodell 928 erhielt er die Tiptronic-Automatik mit fünf Schaltkennlinien und manueller Schaltoption, die zuerst im 911 Carrera 2 Zeichen gesetzt hatte. Gab es doch damals keine vergleichbare sportliche Getriebeautomatik von anderen Herstellern.
Für frische Emotionen sorgte auch die Farbpalette des Porsche 968, die sich genauso bunt und modisch-grell wie beim Elfer präsentierte. Mit Mintgrün, Maritimblau, Himbeerrot oder Amarantviolett differenzierte sich der 968 auf den ersten Blick von durchschnittlichen Sportwagen, die nur dem Mainstream gefallen wollten. Außergewöhnlich waren übrigens auch die werksseitig verordneten Langstrecken-Härtetests, denen sich der Porsche 968 noch nach Serienanlauf stellen musste. So ein Dauerlauf über 150.000 Kilometer unter extremen Bedingungen, den ein 968 CS problemlos absolvierte. Sollte doch ein Porsche auch von beruflichen Vielfahrern gekauft werden.
Genutzt hat es dem Vierzylindermodell ebenso wenig wie die 1993 nachgelegten, extrem teuren und raren 968 Turbo S und 968 Turbo RS. War der 224 kW/305 PS freisetzende 968 Turbo S ein straßenzugelassener Renner mit Sperrdifferential, zielte der bis zu 257 kW/350 PS kräftige Turbo RS auf Einsätze bei GT-Rennen. Beide Modelle liefen nach Kleinstserien aus, da die Porsche-Kunden den parallel angebotenen 911 Carrera RS 3.8 favorisierten. So war die Erfolgsliste des 968 Turbo RS bei Rundstreckenrennen ebenfalls kurz, ein sechster Platz beim 4-Stunden-Rennen von Dijon war das bescheidene, beste Resultat.
Im Jahr 1995 fauchten die 968 zum letzten Mal aus ihrem dicken Endrohr. Ein 968 Roadster entstand nur noch als Prototyp, dann wurde Platz gemacht für einen ganz anderen Roadster: Der Porsche Boxster spurtete im Folgejahr in den Sportwagenverkaufscharts nach vorn.
Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Porsche/SP-X