Buchtipp – Twilfer: Schantall, tu ma die Oma Tschüss rufen

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Sie wird vielen Leserinnen und Lesern schmerzlich fehlen. Denn mit dem dritten Teil ihrer Abenteuer verabschiedet sich Schantall Pröllmann aus der Öffentlichkeit. Oder: Kai Twilfer, ihr Mastermind, verabschiedet sie.
Schantall, gescheiterte Friseurpraktikantin (was Schantall auf die Ladeneinrichtung schob), temporäre Mandeltütenbefüllerin (auffe Kirmes) und Solariumsmitarbeiterin (Sonnenbänke desefiziert), nicht ganz so gescheiterte Schauspielerin (Komparsin in Lloret), leidenschaftliche Raucherin, einkaufswütig (freundlicher würde man das Shopping Queen nennen) – und immer wieder dadurch positiv auffallend, dass sie ihr Herz am rechten Fleck hat. Nicht nur einmal.

Und mit der jungen Dame aus Bochtrop-Rauxel zieht sich auch die Familie ins Private zurück. Günter, Schantalls Pappa, hat sich nicht allzu sehr verändert, auch nicht Günters Gattin Hildegard, Schantalls Mama, die im Laufe ihrer Ehe wohl eine gute Portion an Idealen einem gesunden Pragmatismus geopfert hat, nach dem Motto: Nicht träumen, sondern gucken, dass wir irgendwie durchs wirkliche Leben kommen. In das Schantalls Sohn Tschastin gerade reinwächst, ganz wörtlich, denn aus dem Kleinkind ist ein junger Mann geworden. Und mögen seine Verwandten in mancher Hinsicht zu kurz gekommen sein – zu kurz geraten ist Tschastin mitnichten.

Irgendwie durchs wirkliche Leben kommen, genau das hat diesmal seine besonderen Tücken: Was soll man machen, wenn ein Wohnungsbrand nahezu die komplette Habe vernichtet und die Bude unbewohnbar gemacht hat? Die Pröllmanns quartieren sich kurzerhand bei Sozialarbeiter Jochen ein. Bei jenem Jochen, der die Chaos-Combo auf dem steinigen Weg in einen strukturierten Tagesablauf seit einiger Zeit begleitet. Jochens Gattin, bis dato mit Pröllmanns allenfalls theoretisch (also aus Erzählungen) bekannt, aktiviert nach kurzer Kenntnis der Personen sämtliche verfügbaren Abwehrmaßnahmen, Jochen selbst ist da weniger rigoros … man merkt: Das Leben ist für alle Beteiligten immer noch eine alles andere als ruhige Angelegenheit.

Als Kai Twilfer Schantall debütieren ließ, war der Satirefaktor grandios. Nun, da die geneigte Leserschaft Schantall & Co. quasi auf dem Rückzug aus der Öffentlichkeit begleitet, lässt sich feststellen: Hat man, und drei Twilfer-Bände bieten ja reichlich Gelegenheit, erst mal ein Schantall-Auge entwickelt, stellt man fest: Der Wirklichkeitsbezug ist klarer, als manchem und mancher lieb sein dürfte. Wie gesagt, liebe Pröllmanns: Wir werden euch vermissen. Aber man soll sich ja auch zurückziehen, wenn's am Schönsten ist.

Kai Twilfer: Schantall, tu ma die Oma Tschüss rufen. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag; 9,99 Euro.

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