Volkswagen: Flaggschiffe vom Typ 3 bis Phaeton

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Gleich zwei der meistgebauten Autos aller Zeiten sind Kinder des Volkswagenkonzerns. Erst wurde der Käfer Stückzahlen-Weltmeister, dann löste ihn der Dauerbestseller Golf ab. Sensationelle Erfolge, an die trotz aller technischen Raffinessen keines der Volkswagenflaggschiffe anknüpfen konnte. Weder der 1968 vorgestellte 411 als Heckmotormodell im Maxiformat noch der 1970 von NSU geerbte innovative K 70. Auch der Santana mit starkem Fünfzylinder und der Passat mit fast einzigartigem W8-Motor sind vergangen und vergessen. Ein Schicksal, das auch dem gerade eingestellten Phaeton droht. Dennoch enthüllte VW vor wenigen Wochen eine neue Full-Size-Limousine, den vor allem für China bestimmten Phideon.

Warum leistet sich eine Marke für Volksfahrzeuge große Flaggschiffe? Die Antwort darauf gab VW schon bei der Vorstellung seines ersten Spitzenmodells vom Typ 3. Sollte die 1961 lancierte Mittelklasse mit 1,5- und später auch 1,6-Liter-Motoren doch jene Kunden bei der Marke halten oder gar gewinnen, die mehr als nur einen kleinen Käfer wollten. Passend dazu ermittelte ein Marktforschungsinstitut noch auf dem Premierenpodium der IAA, dass sich die großen Volkswagen vor allem zu Lasten von Ford, Opel oder gebrauchten Mercedes verkaufen würden. Präsenz in höheren Klassen versprach sich also auszuzahlen. Unter den neuen Blechkleidern als Stufenheck, Fastback (ab 1965) und Variant-Kombi blieb es allerdings beim Käfer-Konzept mit luftgekühltem Heckmotor und Heckantrieb. Mit fast 2,6 Millionen Exemplaren wurden die bis 1973 gebauten VW 1500/1600 trotzdem zum Maßstab in der Mittelklasse.

Was so gut funktioniert hatte, versuchten die Wolfsburger nun noch eine Klasse größer. Der 1968 vorgestellte VW 411 war bis auf 4,55 Meter Länge gewachsen und hatte damit äußerlich das repräsentative Format eines Opel Commodore oder Rekord erreicht. „Der Große aus Wolfsburg“, wie ihn die Werbung nannte, wurde von den VW-Händlern entsprechend euphorisch gefeiert. Sollte der 1,7-Liter-Vierzylinder als Viertürer doch laut VW-Generaldirektor Kurt Lotz die „Käuferschicht, die mehr Komfort wünscht“, erreichen. Zusammen mit dem Nachfolger 412 (ab 1972) waren die geräumigen Limousinen und Kombis die letzten neuen Volkswagen nach Käfer-Art: Mit Boxermotor dort, wo auch der Antrieb sitzt, nämlich im Heck, und natürlich luftgekühlt. Aber schon mit modernem Fahrwerk mit vorderer Einzelradaufhängung und hinteren Schräglenkern. Eine Technik, für die das Marketing sogar den Porsche 911 als Ideengeber zitierte.

Woran es den Modellen 411/412 fehlte, waren ausreichende Leistung und formale Faszination. Das Fastbackdesign zeigte zwar Pininfarinaeinfluss, aber die lange, seltsame Front mit traurigen Ovalscheinwerfern erhielt nach nur einem Jahr die erste Schönheits-OP. Was den liebevoll Nasenbär genannten Maxi-VW nicht wirklich schöner machte und nur drei Jahre später zum facegelifteten VW 412 führte. Insgesamt wurden bis 1974 knapp 370.000 VW 411 und 412 gebaut, wozu vor allem der erfolgreiche Variant beitrug. Dennoch war dies weit weniger als das ursprünglich erhoffte Volumen. Dazu trug auch das Leistungsdefizit der Vierzylinder bei, denn mit anfänglich nur 50 kW/68 PS fuhren die größten Heckmotor-VW vielen Wettbewerbern hinterher.

Hinzu kam, der größte luftgekühlte Volkswagen stand in hausinterner Konkurrenz zu einem „Superauto“, wie Medien und Autofans den VW K 70 nannten. Der K 70 war als kleiner Bruder der sensationellen Wankellimousine NSU Ro 80 entwickelt worden und sollte auf dem NSU-Stand beim Genfer Salon 1969 vorfahren, aber mit Hubkolbenmotor. Eine Premiere, die von Volkswagen im letzten Moment abgesagt wurde. Schenkte die gerade erfolgte Fusion von NSU und Auto Union dem VW-Konzern doch auch die zukunftsweisende Frontantriebstechnik des K 70 und leitete so das Ende des veralteten Heckmotorkonzeptes ein. Innerhalb nur eines Jahres finalisierte VW den K 70 zum neuen Markenflaggschiff und baute für die 1,6- und 1,8-Liter-Limousinen ein eigenes Werk in Salzgitter.

Die Presse jubelte. Sie feierte den kantigen K 70 als klassische Schönheit mit moderner Technik und großem Interieur. Seinen luftgekühlten Nasenbärenbruder VW 412 überlebte der K 70 dennoch nur um ein halbes Jahr, denn im Januar 1975 standen seine Bänder nach 211.000 Exemplaren still. Viel zu wenige Einheiten für ein Superauto und doch mehr Autos als erwartet. Schließlich hatte K-70-Kreateur NSU nur mit einem Viertel dieser Auflage kalkuliert.

Auf neue Wege in höhere Gefilde begab sich Volkswagen erst wieder im Jahr 1981. Nun war es der Santana mit optionalem Fünfzylinder-Benziner, angekündigt als „große klassische Reiselimousine, wie es sie von Volkswagen bis heute noch nicht gegeben hat“. Santana, was war das noch, fragen sich heute selbst VW-Fans. Kein legendärer Musiker, sondern ein schlichter Passat B2 mit Stufenheck, Chromschmuck und hochwertigen Innenausstattungen, lautet die ernüchternde Antwort. Zu wenig Glamour, befanden denn auch die deutschen Premiumkäufer der 1980er Jahre. Dafür avancierte dieses Karosseriekonzept in China als volkstümlicher Santana Vista zu einem jahrzehntelang gebauten Multimillionenerfolg.

Was dem Passat in der Mitte der automobilen Gesellschaft gelang, konnten die Familien- und Firmenautos nicht auf die Oberklasse übertragen. Weder der 2,8-Liter-Sechszylinder im 1988 eingeführten Passat B3, noch das 2.9-VR6-Aggregat im nachfolgenden Passat B4 konnten wirklich reüssieren. Dennoch war es der Passat B5, der 2001 den nächsten Gipfelsturm vorbereitete. Der brave Mittelklassebestseller wagte sich mit einem Achtzylindermotor an die Spitze der Wolfsburger Modellpyramide, wo ihm nach den Vorstellungen des VW-Konzernchefs Ferdinand Piëch noch drei weitere Luxusliner assistieren sollten. Neben einem W12-Supersportwagen, der allerdings Concept Car blieb, sollten das Porsche-Cayenne-Schwestermodell VW Touareg und der Phaeton als bestes Auto der Welt die Wolfsburger dort etablieren, wo die Luft dünn, aber die Gewinne groß sind.

Angekündigt worden war der Phaeton als Concept D bereits auf der IAA 1999, die Produktion startete aber erst 2002 in der eigens errichteten Gläsernen Manufaktur in Dresden. Zwar teilte sich der Phaeton sogar Bauteile mit Bentley, dafür kostete er als Zwölfzylinder so viel wie zwölf Fox, das VW-Einstiegsmodell. Fatal wurde es, wenn ein Phaeton im Händlerschauraum Seite an Seite mit dem Fox um Käufer warb. So ließen sich keine S-Klasse-Fahrer gewinnen. Als endlich allen VW-Händlern eine angemessene Präsentation des in Langversion 5,18 Meter messenden Phaeton gelungen war, zeichnete sich schon ab, dass der Prunkwagen abstürzte wie der von Phaeton gelenkte Sonnenwagen in der griechischen Mythologie.

Anders in Asien, wohin VW schon bald die meisten Phaeton verkaufte. Vor allem Chinas Neureiche begeisterten sich für die Luxuskarosse, deren schlichte Passat-ähnliche Linienführung die hohen Anschaffungskosten geschickt verbarg. Weshalb der neue Phideon gleich in China produziert wird.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: VW/SP-X

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