Schaeffler: Wir Handschalter – und die Welt von morgen

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„Schönen Gruß vom Getriebe“ – Der mitunter etwas lästig und immer leicht besserwisserisch gemeinte Kommentar von der Beifahrerseite, wenn das Schalten mal wieder sehr hörbar vonstatten ging, ist wohl jedem von uns ein Begriff. Auto fahren und dabei die Gänge von Hand wechseln: So haben wir es wohl (fast) alle einmal in der Fahrschule gelernt. Heißt also: Kupplungspedal betätigen, Kupplung öffnen, Gangwechsel unter Zuhilfenahme des Schalthebels vollziehen, Kupplungspedal wieder betätigen, Kupplung schließen. So und nicht anders machen es trotz aller technischen Weiterentwicklung automatischer Getriebe, trotz DSG und stufenlosem CVT-Getriebe noch jede Menge von Autofahrer/innen auf der Welt.

Rund um den Globus wird noch immer jedes zweite in einem Pkw montierte Getriebe manuell geschaltet. Das bestätigten auch die versammelten Technikexperten von Schaeffler, dem Weltmarktführer, wenn es um Getriebetechniken geht, auf einem Workshop des Hauses, das unter dem Motto „Lösungen für die Mobilität von morgen“ stand. Matthias Zink, Leiter des Unternehmensbereichs Getriebesysteme der Schaeffler AG und Dr. Roland Welter, der Leiter der Produktlinie Gesamtsystem Kupplungen des Hauses, erläuterten, wie weit Schäffler bei der Forschung, Entwicklung und möglicher Serienreife neuer Mobilitätslösungen auf diesem Gebiet ist.

Da ein Großteil unserer Autos in Zukunft hybridisiert (Kombination von Verbrennungs- und Elektroantrieb) fahren wird, bedarf es dazu auch neuer Detaillösungen. Bisher grundsätzliche Techniken im Auto müssen dazu neu angedacht werden. Dazu gehört auch die Arbeitsweise moderner Getriebe. Da aber trotz aller Automatisierungstechniken die Ära des Handschalters noch lange nicht beendet sein wird, hat Schaeffler sich eine Kombination von beidem auf die Fahne geschrieben: Das Zauberwort heißt „e-clutch“, übersetzt bedeutet es so viel wie elektronische Kupplung. Denn mit einer konventionellen manuellen Schaltung konnte die Hybridisierung des Fahrzeugs bisher nicht verwirklicht werden. Das war ausschließlich mit einer Getriebeautomatik möglich.

Das Prinzip der von Schaeffler entwickelten „e-clutch“ ist einfach genial, aber leider nicht genial einfach: Bei der e-clutch wird die Kupplung und nicht das Getriebe automatisiert. Schaeffler hat dazu drei verschiedene Konzepte einer elektronischen Kupplung entwickelt, die sich allesamt je nach dem Grad der Automatisierung unterscheiden.

Die erste Ausbaustufe nennt sich „MTplus“. Sie soll nur wenig mehr kosten als der normale Handschalter. In diesem Falle wird zwar das bisherige Grundprinzip der hydraulischen Kraftübertragung beibehalten. Allerdings wird ein zusätzlicher Aktuator in die Druckleitung eingebaut. Der Effekt, den wir vor Ort auf einem abgesperrten Kurs auf dem Baden Airpark bei Testfahrten erleben durften, war frappierend: Schon mit dieser Teilautomatisierung ist es möglich, zu „segeln“ und damit den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs zu senken. Im Normalbetrieb wird der Motor von der Halbautomatik vom Getriebe getrennt. Er wird entweder ganz abgeschaltet oder im Leerlauf weiterbetrieben. Wenn der Fahrer vom Gas geht, ist das das Zeichen für die e-Clutch zum Auskuppeln.

Die nächste Ausbaustufe nennt sich „Clutch-by-wire“, bei dem die mechanische oder die hydraulische Verbindung des Pedals mit dem Ausrücksystem vollständig ersetzt wird. In diesem Fall kuppelt der Fahrer wie gewöhnlich. Allerdings wird das Signal elektronisch, also „by wire“, übertragen. Dieses System soll es auch ermöglichen, in manuelle Schaltgetriebe einen Sportmodus für schnelle Schaltvorgänge und abrupte Bremsvorgänge zu integrieren. Das war bisher nur bei automatischen Getrieben der Fall.

Die höchste Ausbaustufe ist das Elektronische Kupplungsmanagement „EKM“. Bei dieser Version spielt das Kupplungspedal keine Rolle mehr. Ein Sensor liefert das Signal zum Auskuppeln, wenn der Fahrer den Schaltvorgang einleitet. Auch das Einkuppeln erfolgt automatisch, wenn der Gang eingelegt ist. Der große Vorteil dieser Arbeitsweise: Ein Elektromotor lässt sich in den Antriebsstrang integrieren, was die Grundvoraussetzung zu einer Hybridisierung des Fahrzeugs ist.

Spätestens 2019 will Schaeffler, das seine technischen Lösungen auch schon Vorständen von Automobilherstellern präsentiert hat, die e-clutch zur Serienreife bringen und damit auch den Einbau in Großserienprodukten ermöglichen. Schäffler will (und wird wohl) sich damit neue Märkte erschließen und dem Handschalter den Weg in die Hybridisierung weisen. Gangwechsel in verschiedenen Ausbaustufen, die jede Form der Kraftübertragung in konventionellen Verbrennern oder bei Mild-Hybrid-Fahrzeugen ermöglichen. In der Konsequenz aller verschiedenen Möglichkeiten ist das so eine Art „Eier legender Wollmilchsau“.

Der Konzern aus dem fränkischen Herzogenaurach ist damit einer der heißen Kandidaten für den europäischen Umweltpreis 2016, der im Mai in München vergeben wird. Den Sprung in die Top 10 in der Kategorie Automobilität der 'GreenTec Awards 2016' hat man dank der „e-Clutch“ schon geschafft.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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