Volkswagen: 40 Jahre Golf GTI

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Auf den Punkt brachten es führende deutsche Automanager anlässlich der IAA 1975: „Der Erfolg des Golf hat uns total überrascht!“ Einen ersten Eindruck seiner Durchschlagskraft hatte der Kompakte schon im Oktober des Vorjahres gegeben, als vom Golf auf dem Heimatmarkt mehr Einheiten verkauften wurden, als etwa von der gesamten Opel-Palette zusammen. Auf der Frankfurt Autoschau aber konstatierten Marktanalysten gar „neue Dimensionen des Wettbewerbs“, ausgelöst von einem marsrot leuchtenden Kraftpaket namens Golf GTI. Drei Buchstaben, die für geringes Gewicht, sportliche 110 PS Leistung und 182 km/h Spitze standen. Hatte schon die 50 oder 70 PS leistende Golf-Basis mit quer eingebautem Motor, Frontantrieb und Schrägheck mit großer Klappe alle Standards der unteren Mittelklasse von Opel Kadett und Ford Escort hinweggefegt, löste der GTI nun einen neuen Urknall aus.

Ganz ohne Kriegsbemalung und Spoilerwerk wie Ford RS oder Opel Rallye demokratisierte der schnellste Wolfsburger die Überholspur der Autobahn und wurde Vorbild einer neuen Klasse kompakter Sportler. Das rot gehaltene Typenkürzel für Gran Turismo Injection wurde zum Schreck aller etablierten kleinen Powerpakete, aber auch für große Sechszylinder-Businessliner. Denn der flinke und langstreckenhungrige GTI begeisterte nicht nur die Fraktion der Sport-, sondern sogar berufliche Vielfahrer. Kein Wunder, dass aus der ursprünglich geplanten Auflage von 5.000 GTI zwölf Monate später 50.000 und bis heute rund zwei Millionen Spaßmacher in sieben Generationen wurden – mit Alleinstellung durch ein eigenes Festival am Wörthersee.

Entstehen konnte die schnellste Art des Golfsports wahrscheinlich nur in Norddeutschland, beherrscht doch kein anderer Autobauer die Kunst des klassenlosen Kompakt- bzw. Kleinwagens so vollkommen wie Volkswagen. Nicht einmal die legendären BMW 1502 bis 2002 tii sind deshalb echte GTI-Vorläufer, kauften die Kunden der oft „golf-gelb“ lackierten 02er doch stets das abgehobene BMW Image, während sich die Kanonenkugel namens GTI äußerlich kaum von der knauserigen Golf-Basis mit 50 PS differenzierte. Seinen Schafspelz legte der Golf erst auf Renn- und Rallyepisten ab, hier fuhr er mit extremen Verbreiterungen und wilden Beklebungen die Konkurrenz oft genug in Grund und Boden und gewann spätestens ab 1981 so ziemlich alle denkbaren Meistertitel.

Womit der GTI die ursprüngliche Mission seiner geistigen Väter erfüllte, die ihn als Sport-Golf erdacht hatten. Ausgerechnet im denkwürdigen Jahr 1973 begann die GTI-Geschichte. Damals sorgte der Käfer als aggressiv bemalte Sonderserie „gelb-schwarzer-Renner“ gemeinsam mit noch frecheren Wildfängen wie Ford Escort RS und Simca 1000 Rallye und dem verwegenen BMW 2002 turbo für eine Aufregung, die sogar den Bundestag erreichte. Was die muskulösen Kleinen für die Kunden jedoch nur begehrlicher machte, daran änderte letztlich auch die im Spätherbst des Jahres einsetzende Ölkrise mit Sonntagsfahrverboten und Tempodiskussionen kaum etwas. Für den kleinen motorsportbegeisterten Kreis aus VW-Versuchsingenieuren, Marketing- und Kommunikationsspezialisten, die dem Projekt EA 337 – also dem künftigen Golf – einen Breitensportler an die Seite stellen wollten, jedoch Anlass, umsichtig vorzugehen. Weshalb sich ein erster Prototyp auf Scirocco-Basis mit kompromisslosem Sportfahrwerk, brüllendem Rennauspuff sowie durch Registervergaser auf über 100 PS gebrachtem 1,5-Liter-Aggregat auch nicht wirklich zur Vorstellung beim Vorstand eignete.

In zurückhaltenderer Form wurde der Versuchsträger im Frühjahr 1975 dann aber doch von der Konzernführung freigegeben. Dies verbunden mit dem Auftrag, eine sportive Version des Golf zu entwickeln, die es nicht an Understatement und Effizienz missen ließ. Nun musste alles ganz flott gehen, schließlich sollte der schnellste Volkswagen aller Zeiten schon im September als Superstar der Frankfurter IAA gefeiert werden. Da passte es gut, dass die Konzerntochter Audi einen neuen 81 kW/110 PS starken 1,6-Liter-Vierzylinder mit Bosch K-Jetronic bereitstellen konnte, der unter dem damaligen Audi-Entwicklungsvorstand Ferdinand Piëch für den 80 GTE konstruiert worden war. Während die Ende August versendete erste Pressemitteilung umständlich vom „zurückhaltend gestalteten, gebrauchstüchtigen, kompakten Reisewagen mit hohen Fahrleistungen bei niedrigem Kraftstoffverbrauch“ sprach, wandte sich das Marketing sofort „an alle Motorsport-Fans: Der Golf GTI beschleunigt von 0 auf 80 km/h in 6,1 Sekunden. Von 0 auf 100 km/h in satten 9,0 Sekunden“.

Was für eine Ansage in einer Zeit als sich ein Standard-Golf noch 16,5 Sekunden gönnte. Nicht einmal Sportwagen wie Porsche 924, Renault Alpine A110 oder Triumph TR7 konnten dieser Vorgabe des GTI Paroli bieten. Allein der soeben erneuerte Ford Escort RS 2000 nahm es mit der Wolfsburger Sturmspitze auf und auch das Coupé Kadett GT/E war nur unwesentlich langsamer. In einer Disziplin war der Wolfsburger seinen altbackenen Kölner und Rüsselsheimer Rivalen mit Hinterradantrieb und Starrachse sogar unterlegen: Bei Showeinlagen durch spektakuläre Driftwinkel in Kurven auf losem Untergrund. Im Alltag aber war der moderne Golf der schnellste, sparsamste und praktischste Sportler des Trios, wie Fachpresse und Käufer konstatierten. Was die Sparsamkeit betraf, war der GTI sogar gut für eine Sensation: Mit 8,0 Litern Normverbrauch konsumierte der 110-PS-Sprinter nicht mehr als der 50-PS-Knauser-Golf.

So gesehen gelang dem GTI die Quadratur des Kreises: Ein praktischer Kompakter im optischen Tarnkleid, der das Potenzial des sportlichen Siegertyps mitbrachte. Wer nach noch mehr Leistung oder mehr Exklusivität für seinen GTI suchte, auf den wartete die Armada der Tuningindustrie. Artz, Abt, Mahag, Nordstadt, Oettinger oder Zender befriedigten die Lust nach Luxus oder mehr Leistung zu teils exorbitant hohen Preisen. 64.000 Mark verlangte etwa Nordstadt für einen Golf GTI mit 92 kW/125 PS, Telefon, Fernseher – und erhielt angeblich eine ganze Serie an Bestellungen von frustrierten Porsche-911-Fahrern, die die Frage leid waren, ob ihr Auto über oder unter 80.000 Mark gekostet habe. In den von Sozialneid geprägten Siebzigern keine Seltenheit.

Seinen Vorsprung gegenüber allen Rivalen konnte der Golf GTI aber vor allem in der Serienversion ausbauen, sogar als Ford Escort und Opel Kadett auf Frontantrieb umgestellt wurden. Dazu erhielt der Volkswagen 1982 einen 1,8-Liter-Benziner mit 82 kW/112 PS und wenig später folgte das sagenumwobene Sondermodell Golf GTI Pirelli mit einem Nimbus ähnlich wie der legendäre Pirelli-Kalender. Insgesamt 10.500 Einheiten Pirelli-Golf wurden von Mai bis Oktober 1983 zu Preisen ab 20.282 Mark verteilt. Wobei junge Gebrauchte sogar oft über den Neuwagenpreisen gehandelt wurden, vor allem wenn sie in den Sonderfarben Lhasametallic und Heliosblaumetallic glänzten. Ein furioses Finale, mit dem die erste, 462.000-mal gebaute GTI-Generation den Weg frei machte für bis heute sechs weitere Golf-Generationen. Und über 100 Nachahmer anderer Marken, die allzu gerne das Kürzel GTI gebrauchen.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Volkswagen/SP-X

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