In der Mitte der automobilen Gesellschaft herrschte quasi schon immer Harmonie: Sind es heute Crossover-SUV, die global das Bild der Familien- und Firmenfahrzeuge bestimmen, waren 1981 konservative Mittelklasse-Typen wie der neue Opel Ascona C angesagt. Der Wechsel auf Frontantrieb galt bei dieser dritten und finalen Ascona-Generation bereits als Fortschritt und frische Farben standen für modische Avantgarde. Wer mehr Design wagte – wie etwa Opels Erzrivale Ford beim Sierra – wurde von den Käufern abgestraft, ein neues fünftüriges Fließheck á la Ascona musste als Veränderung genügen. Und dieses Denken galt nicht nur für Deutschland, sondern rund um den Globus. Genau deshalb reüssierte der zwischen dem kleinen Opel Kadett und dem großen Opel Rekord platzierte Ascona C als Blaupause der General-Motors-(GM)-Weltauto-Plattform mit dem Namen „J“, die es auf nicht weniger als zwölf Marken brachte. Opel, damals noch europäische Vorzeigetochter von GM, lieferte mit dem Ascona C das Muster für dieses einmalig breite J-Car-Modellportfolio, das vom Holden Camira in Australien über den Isuzu Aska in Japan, den Chevrolet Monza in Brasilien bis zum Cadillac Cimarron in den USA reichte. Mit einem J-Car wussten Familien verlässlich, was sie hatten, und genau das machte auch den letzten Ascona zum erfolgreichsten. Über 1,7 Millionen Einheiten verkaufte Opel von seinem Mittelklassestar bis 1988, genug für die zeitweilige Pole Position der Marke mit dem Blitz in den deutschen Zulassungscharts.

Schon auf der IAA 1981 in Frankfurt zeigte der Ascona, dass er designiert war für Rekordumsätze in Rüsselsheim und Opel aus der Verlustzone der vorhergehenden Jahre beschleunigen würde. Kein Messestand wurde mehr belagert: Zeitweise drängten sich die Besucher bei Opel in Zehnerreihen um die damals spektakulär große Drehscheibe, auf der drei Ascona im Scheinwerferglanz rotierten zum Slogan: „Ascona. Das neue Verhältnis zum Automobil“. Wirklich neu und überaus mutig war jedoch nur das nebenan ausgestellte Ascona Cabriolet ganz ohne damals üblichen Überrollbügel und bereits mit elektrisch betätigtem Dach, nebenbei das erste GM-Frischluftmodell seit Einstellung des Cadillac Eldorado Mitte der 1970er Jahre. Wer die Rüsselsheimer GM-Filiale als reinen Befehlsempfänger aus Detroit einordnete, musste nun umdenken.

Allerdings war der strahlendweiße Sonnenkönig vorläufig nur ein Prototyp, für den das Opel-Management noch einen Kleinserienhersteller suchte. Und mit Opel-Händler-Beteiligung schließlich fand. Gleich zwei Cabriolets standen ab 1983 in vielen Opel-Showrooms – deutlich bevor familientaugliche Luftikusse á la BMW 3er einen Sonnensturm entfachten. Während ein Ascona Cabrio von Keinath sehr kostspielig war, punktete der auch als Vauxhall Cavalier angebotene Ascona von Hammond & Thiede mit Preisen ab 26.050 Mark. Klar, auch das war viel, kostete der zweitürige Blechdach-Ascona doch nur die Hälfte. Aber dafür taugte der Luftikus für Auftritte in Schwabing und auf Sylt, während die zwei-, vier- und fünftürigen Opel mit dem Namen eines Schweizer Sehnsuchtsziels der Deutschen aus dem ausklingenden Wirtschaftswunder (der erste Ascona startete 1970) Opel im deutschen Verkaufsranking als König inthronisierten.

Zumindest kurzzeitig, denn als der Ascona mit allen Motorisierungen verfügbar war – darunter erstmals ein 40 kW/54 PS leistender Wirbelkammer-Diesel, der es in Effizienz und Agilität mit dem Volkswagen Passat aufnehmen konnte – gelang es dem Opel Anfang 1983, seinen Marktanteil auf 21 Prozent steigern und Volkswagen abzuhängen. Daraufhin ließ VW eiligst preiswerte Sondermodelle auflegen, die Opel wiederum mit eigenen Editionen konterte. Ob Ascona J, Touring, Sport oder Jubilee, alle serienmäßig gut ausgestatteten Stufenhecktypen und Fastbacks verfingen bei der bürgerlichen Klientel. Allein ein Kombi wie bei den Mittelklasse-Konkurrenten Passat, Ford Sierra oder Renault 18 fehlte im Rüsselsheimer Programm. Diesen hatte nur Vauxhall mit der Ascona-Doublette Cavalier eingeführt. Dazu nutzte der britische Cavalier Estate aus Australien zugelieferte Karosserieteile des J-Cars Holden Camira. Bei Opel mussten sich Ladelustige stattdessen zwischen dem kompakten Astra und dem großen Rekord Caravan entscheiden. Ein wenig Ungleichheit in der automobilen Mittelklasse gönnte sich GM auf diese Weise doch.

Obwohl im Herzen ein Kosmopolit, verstand sich die deutsche Version des J-Cars eher als konservativer Pragmatiker. Ein Familienfreund, dem wartungsarme OHC-Benziner mit Hydrobolzen oder elektronische Zündanlage im bescheidenen Leistungsband von 44 kW/60 PS bis 66 kW/90 PS bzw. am Ende auch 96 kW/130 PS sowie unproblematische Fahreigenschaften dank neuen Frontantriebs und Verbundlenkerhinterachse wichtiger waren als schicker Schnickschnack. So gab es anfangs weder elektrische Fensterheber noch Klimaanlage, und eine Servolenkung oder der rechte Außenspiegel kosteten Aufpreis. Damit hatte bei Opel alles seine gewohnte automobile Ordnung in einer Gesellschaft, die erschüttert wurde durch Aids, Ölpreiskrisen, Kriege in vielen Regionen, Diskussionen über den Nato-Doppelbeschluss und den Sturz von Bundeskanzler Helmut Schmidt via Misstrauensvotum. Nicht zu vergessen der Kampf gegen die dicke Luft auf den Straßen, die für das Waldsterben mitverantwortlich gemacht wurde.

Auch hier versuchte Opel seine Käuferklientel zu beruhigen, zuerst mit einer Schlagzeilen generierenden Investition: Eine Milliarde Mark und tausend Mitarbeiter für die Entwicklung von Abgaskatalysatoren. Dann gab es den Ascona 1.8i ab Ende 1984 als eines der ersten deutschen Autos mit Kat, ab März 1985 waren außerdem alle Opel-Diesel um 50 Prozent schadstoffreduziert. Auch den aufkommenden Wunsch nach mehr Komfort erfüllte die deutsche GM-Tochter: Wer einen vier- oder fünftürigen Ascona CD wählte, bekam plötzlich serienmäßig fast alles, was die 1980er hergaben. Bordcomputer, elektrische Fensterheber und Außenspiegel oder Servolenkung gab es für Mitglieder im „CD Club“ serienmäßig. Und wer ein noch exklusiveres GM-J-Car wollte, entschied sich für einen der wenigen in Deutschland verkauften Cadillac Cimarron oder einen exotischen Oldsmobile Firenza.

Im Dienste der Allgemeinheit standen dagegen spezielle Ascona für Feuerwehr, Polizei, Notärzte oder Bundeswehr. Für alle, die früheren Rallye-Siegen des Ascona etwa unter Walter Röhrl nachtrauerten, gab es ab Ende 1986 den Ascona Sprint, entwickelt von Opel und dem Tuner Irmscher mit tiefergelegtem Fahrwerk, Spoilersatz und 85 kW/115 PS kräftigem 2,0-Liter-Einspritzer. Aber inzwischen fuhr der Ascona dem Sonnenuntergang entgegen, frische Herausforderer machten dem braven Modell mit dem Blitz das Leben schwerer. Immerhin war dieser dritte und letzte Ascona der meistverkaufte, ein gutes Erbe für den Vectra, mit dem für Opel 1988 eine neue Ära begann. Den guten J-Car-Geistern der Vergangenheit begegnete der Vectra noch lange: In den 1990ern trat er gegen den koreanischen Daewoo Espero an, das finale J-Car-Produkt.

Fotos: Opel

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