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Auch unter fremder Herrschaft können Autofirmen florieren, wie das Beispiel Volvo eindrucksvoll demonstriert. Sind es heute Chinesen, die den schwedischen Hersteller auf globalen Erfolgskurs senden, war es ursprünglich der Maschinenspezialist und Zulieferer SKF, der Volvo im Jahr 1915 als Marke gründete und 1927 beim legendären Modell Volvo ÖV4 Jakob das finanzielle Fundament für die Serienfertigung legte. Seitdem steht Volvo weltweit wie keine andere Automarke für Sicherheit. Wie alle ingenieurgetriebenen Unternehmen litt allerdings auch Volvo immer wieder unter klammen Kassen. Essentieller Bestandteil der Erfolgsgeschichte unter fremden Eigentümern – dazu zählte von 1999 bis 2010 auch Ford – ist, dass die Göteborger weitgehend freie Hand behalten haben, um sich als charakterstarke Kultmarke zu entwickeln. Nur so konnten Meilensteine der Automobilgeschichte gesetzt werden, wie die erste europäische Stromlinienlimousine Volvo PV36 Carioca (ab 1935), die sogenannten Buckel-Volvo PV444/544 (ab 1944) als erste europäische Neuentwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg, der elegante Welteroberer P120 Amazon (ab 1956), die als „Sicherheit aus Schwedenstahl“ beworbenen Typen 140/164 (ab 1966), der „Schneewittchensarg“-Shootingbrake 1800 ES (ab 1972), die sportiven frontgetriebenen 850 mit markanten Ecken und Kanten (ab 1991) oder der XC90 (ab 2002) als Inbegriff des nordischen SUV.

Modelle, die als Marke den Namen Volvo tragen und als Logo einen Kreis mit einem schräg nach oben weisendem Pfeil. Letzteres symbolisiert traditionell das Metall Eisen, das wichtigste Material für alle Volvo-Fahrzeuge. Damit war Volvo von Anfang an ein Inbegriff für Stabilität und Sicherheit, wurden doch in den 1920er Jahren bei den meisten Automarken Karosserien und viele andere Bauteile auch aus preiswerteren Werkstoffen wie Holz gefertigt.

Aber auch die Stärke des römischen Kriegsgotts Mars versinnbildlicht das Logo, und diese Durchsetzungsfähigkeit benötigte Volvo nach überaus holprigen Anfängen dringend. Hatten doch die Svenska Kullagerfabriken SKF im Jahr 1915 Volvo als Tochtergesellschaft gegründet für den Vertrieb von Kugellagern. Schließlich steht Volvo im Lateinischen für „ich rolle“. Allerdings wollte der Kugellagerabsatz unter dem Namen Volvo nicht ins Rollen kommen, weshalb SKF die Marke ab 1920 ruhen ließ. Erst als die beiden Volvo-Gründerväter Assar Gabrielsson und Gustav Larson sechs Jahre später die SKF-Geschäftsführung von den profitablen Perspektiven ihrer ersten Fahrzeugentwicklung überzeugen konnten, erinnerte sich SKF an die Tochterfirma Volvo und verpackte das finanzielle Engagement für den Automobilbau in diesen Namen. Am 14. April 1927, dem schwedischen Jakobs-Tag, kam die Volvo-Saga mit dem ÖV4 Jakob ins Rollen. Gebaut wurden die offenen Tourenwagen in einem ehemaligen Kugellager-Fabrikgebäude in Lundby bei Göteborg. Alles war bereit für den erwarteten Absatzboom – und dann kam es ganz anders. Die sonst so patriotischen, vor allem aber pragmatischen denkenden Schweden bevorzugten vorerst weiterhin amerikanische und deutsche Autos, während Volvo im ersten Jahr keine 300 Fahrzeuge ausliefern konnte.

SKF sicherte die Liquidität der jungen Autofirma und so konnten deren Chefs Gabrielsson und Larson ab 1928 nachlegen. Mit geschlossenen Tourenwagen, einer innovativen Kombi-Limousine und leichten Lastwagen erweiterten sie das Volvo-Portfolio, so dass 1929, im Jahr der Weltwirtschaftskrise, der erste Profit erwirtschaftet werden konnte. Im Mai 1932 feierten die Göteborger bereits den 10.000 produzierten Volvo, davon allerdings 6.200 Nutzfahrzeuge, und zwei Jahre später erfolgte die Loslösung von SKF. Schließlich stand schon 1935 der Gang an die Stockholmer Börse an. Während Lkws und Busse in den 1930er Jahren die wichtigsten Gewinnbringer waren, wurden die Pkw erst nach dem Zweiten Weltkrieg schwedische Exportbestseller. Was die Ertragslage angeht, sah es zum Ende des 20. Jahrhunderts dann wieder ganz anders aus, weshalb im Jahr 1999 die Pkw-Sparte vom Volvo-Konzern (mit Industrieanlagen, Lkw, Bussen, Baumaschinen, Boots- und Flugzeugmotoren) getrennt und an Ford verkauft wurde. Volvo Trucks ist dadurch heute neben der Sportwagenmanufaktur Koenigsegg der letzte Autobauer in schwedischem Besitz.

In den 1930er Jahren sah dies noch anders aus. Sieben Fahrzeughersteller hatten damals Produktionseinrichtungen zwischen Göteborg und Stockholm, aber Volvo schaffte es, sich mit robusten und sicheren großen Limousinen als größte einheimische Marke zu etablieren. Wobei das Credo der Firmengründer Gabrielsson und Larson die Popularität der Marke deutlich beschleunigte: „Unsere Autos werden von Menschen gefahren. Deshalb muss unsere oberste Prämisse eines sein und bleiben – Sicherheit.“ Erstes Modell, das diese Maxime weltweit bekannt machte, war der 1944 vorgestellte bucklige Volvo PV444 mit Sicherheitsfahrgastzelle und Windschutzscheibe aus Verbundglas. Beide Neuerungen wurden vom Wettbewerb später ebenso adaptiert wie der ab 1959 serienmäßige Dreipunktsicherheitsgurt in den Volvo P120 Amazon und PV544 oder das 1966 etablierte Zweikreis-Bremssystem im Volvo 140, 1972 der Reboard-Kindersitz sowie die seit 1995 serienmäßigen Seitenairbags in den kompakten Volvo S40 und V40. Heute ist eine noch weitergehende Vision Markenkern von Volvo: Ab 2020 soll demnach niemand mehr in einem neuen Volvo sterben oder ernsthaft verletzt werden, langfristig sollen Volvo-Modelle überhaupt nicht mehr in Unfälle verwickelt werden.

Auch in Deutschland ist es vor allem die Sicherheitstechnik, der die Nordmänner ihre Bekannt- und Beliebtheit verdanken. Dazu beigetragen hat auch ab 1961 der schnelle Traum-Sportwagen Volvo P1800, mit dem James-Bond-Darsteller Roger Moore in der Fernsehserie Simon Templar auf Schurkenjagd ging. Der damals populärste Stuntman Armin Dahl demonstrierte in Hamburg mit einem der 1800 Coupés eindrucksvoll die Belastbarkeit des schwedischen Dreipunkt-Sicherheitsgurtes. Während in Nordamerika bereits die Buckel-Volvo und der Amazon als Bestseller gefeiert wurden, lancierte Volvo in Deutschland erst 1966 mit der 140er Serie den ersten echten Verkaufsschlager. Diese betont schnörkellosen Limousinen und Kombis, ab 1974 auch als Nachfolger 240/260 und ab 1982 zusätzlich als größere 760/740 machten kantige Formen zum Volvo-Erkennungszeichen und fanden besonders unter Familien ihre Fans. Letzter eckiger Volvo war 1991 das Modell 850, das als Turbo schnelle BMW und Audi herausforderte.

Im Kleinwagen- und Kompaktsegment ist Volvo seit 1975 vertreten, damals übernahmen die Wikinger den niederländischen Pkw-Hersteller Daf. Ein Eroberungsfeldzug, der ebenso kostspielig war wie die immer aufwändigere Entwicklung neuer Modellreihen. Exklusive Coupés und Cabriolets wie die Typen 262, 780 und C70 kamen bereits aus Kooperationen mit den italienischen Karossiers Bertone, aber das im 21. Jahrhundert notwendige breite Modellangebot mit Crossover- und SUV-Typen konnte Volvo erst unter dem Konzerndach von Ford finanzieren. Ihre schwedische Identität haben die Nordländer dabei ebenso wenig verloren wie unter dem heutigen chinesischen Eigentümer Geely. Dafür neue Absatzmärkte gewonnen – die wichtigste Basis für den Sprung ins zweite Jahrhundert der Marke, die rollen will.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Autodrom, Volvo/SP-X

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