Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Eigentlich ist das eine begrüßenswerte Nachricht mit einer guten Idee als Hintergrund. Die deutsche Verkehrswacht, so argumentierte sie in einer Pressemitteilung vor wenigen Tagen, „begrüße den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz, in dem diese den Bund zu Anpassungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) auffordert.“ Hinter diesem verbalen Behörden-Monstrum steckt nichts anderes als der immer wieder geforderte, noch fester gezurrte Schutz-Mechanismus für die Schwächeren im Straßenverkehr. Genauer gesagt geht es um sogenannte „Tempo-30-Zonen“ vor Schulen und ähnlichen Einrichtungen.
Dass die Deutsche Verkehrswacht im Sinne der „schwächsten Verkehrsteilnehmer“, eben der Kinder, eine weitere Zunahme von Tempo-30-Zonen vor Schulen, Kindergärten oder Kinder-Tagesstätten fordert, ist nur legitim und im Sinne derjenigen, die geschützt werden müssen. Und wenn wir, pardon die Deutsche Verkehrswacht, schon einmal bei den sogenannten schwachen Verkehrsteilnehmern sind, dann wird gleich in einem Aufwasch eine weitere Zunahme von Tempo-30-Zonen vor Altenheimen, oder Senioren-Residenzen, wie das jetzt verniedlichend heißt, gefordert. Man verspreche sich davon, heißt es in der Pressemitteilung weiter, „eine höhere Verkehrssicherheit für Menschen, die aufgrund ihres Alters oder körperlicher und mentaler Einschränkungen mehr Schutz benötigen.“
Kein Mensch mit halbwegs klarem Menschenverstand wird ein Argument gegen diese Forderungen einbringen wollen und können. Weil es eben keine gibt. Warum aber, so frage ich mich, müssen bei uns in Deutschland Dinge, die eigentlich jedem Auto-, Motorrad- oder Fahrradfahrer klar sein sollten, erst noch einmal mit unserer ungebremsten Regulierungswut eingetrichtert werden. Sind wir „Normalos“ am Lenker unserer Fahrzeuge wirklich so unachtsam, so unbedarft, so rücksichtslos den Schwachen unserer Gesellschaft gegenüber, dass wir durch „per Order di Mufti“ gemaßregelt werden müssen, um unserer Fürsorgepflicht mit dem Gasfuß nach zu kommen?
In unserer Kleinstadt gibt es eine „Tempo-30-Zone“ innerhalb eines Wohngebietes, in der keine Schule, kein Kindergarten, kein Altenheim angesiedelt ist. Nein, dort wohnen ganz normale Menschen, Familien mit Kindern, die auch einmal auf der Straße spielen möchten und das auch tun. Die Straße ist relativ breit, aber auch dort stehen alle paar Meter „30“-Schilder. Ob und wie oft die Ordnungshüter schon auf den Einhalt dieses Geschwindigkeits-Indexes geachtet haben, ist mir nicht bekannt. Aber ganz ohne Kontrollen wird es auch dort nicht gehen.
Offensichtlich sprechen aber die Statistiken über Unfälle, über persönliche Schicksale, vielleicht auch über regelrechte Dramen, die sich in solchen Gebieten des alltäglichen „Asphalt-Dschungels“ ereignet haben, eine so deutliche Sprache, dass der Gesetzeshüter ohne Verdikt nicht mehr auskommt. Eigentlich ein Armutszeugnis für uns alle, dass wir in Ausnahmesituationen erst mit Strafandrohung per Dekret zur Einsicht gezwungen werden müssen. Es spricht nicht gerade für eine Fahrkultur, die nichts mit dem Komfort unseres fahrbaren Untersatzes, sondern mit der Einsicht des Fahrzeugführers zu tun hat. Leider, so denke ich, kann sich da keiner – auch ich nicht – von ausschließen.Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun