Jeder, der mit Autos und Motoren zu tun hat, kennt den Paragraphen 1: Niemals in einen laufenden Motor greifen.
Aber: Es gibt Momente, in denen man diese Regel brechen muss.
Natürlich kennt Heidi Hetzer, selbst Kfz-Mechanikerin, dieses Gesetz. Und sie befolgt es – immer.
Was glauben Sie, warum Automechaniker niemals lange Haare haben oder Flatterhemden tragen?
Aber diesmal war alles ganz anders.
Hudo war hochgebockt und Heidi wollte schauen, wo das Öl heraustropfte, das sie seit einigen Kilometern enorm störte. Es war nicht der Motor, der ihr zum Verhängnis wurde, sondern ein Lappen. Und die Welle der Lichtmaschine. Heidi wollte einen Öltropfen entfernen. Der laufende Motor war meilenweit von ihr entfernt – mehr als zehn Zentimeter.
Plötzlich hat der Lüfter den Lappen hochgeblasen und ihre rechte Hand mitgerissen. Wir schonen Sie nicht und zeigen Ihnen deshalb auch die Röntgenaufnahmen.
Denn bei diesem tragischen Unglück verlor Heidi zwei Finger. Für uns Normalos sowieso schon mal unvorstellbar schmerzhaft. Aber vergessen Sie nicht: Heidi Hetzer ist eine taffe Frau. Sehr taff. In London (nein, nicht das London in Großbritannien, sondern das in Kanada) hat sie drei Uni-Kliniken aufgesucht, zuletzt war sie im Victoria-Hospital gelandet. Abends um 20 Uhr wurde operiert. Dabei stellten die Ärzte fest, dass der Mittelfinger der rechten Hand schon einmal gebrochen und nicht korrekt verheilt war.
Ja, erinnerte sich Heidi, das war in Alma Aty, als sie über eine Treppenstufe gestolpert war. Damals hatte sie diesem Umstand kaum Bedeutung beigemessen. Ein weiterer Beweis dafür, wie hart sie im Nehmen ist.
Nach der OP wurde ihre rechte Hand großzügig verbunden. Und schon am nächsten Morgen saß sie lachend bei einem üppigen Frühstück, betrachtete ihre Hand und überlegte schon wieder, was sie da später wohl für schicke Handschuhe wird tragen können.
Bis Boston wurde sie von dem kanadischen Guide Svend Anderson (KÜS berichtete darüber) fernmündlich begleitet, der aber dann, als er von dem Unfall erfuhr, sofort persönlich auftauchte und seine Lady beschützte. Er zeigte ihr weitere Schönheiten des Landes und fuhr mit ihr sogar an die Niagara-Fälle.
Am Flughafen von Boston stieg dann ihr Sohn Dylan aus dem Flieger und begleitete seine Mutter eine Weile durch die USA. Gottlob! Endlich war da jemand, der ihr vertraut war und der sogar das eine oder andere an Hudo erledigen durfte.
Nein, fahren durfte auch er nicht. Heidi hatte sich in einem anderen Hospital den Verband so erneuern lassen, dass sie wenigstens Daumen und Zeigefinger benutzen konnte. Und in die Hand-Innenfläche ließ sie sich eine Mulde einbauen, damit sie den Schaltknauf bedienen konnte. Not macht halt erfinderisch.
Sie genoss die Zeit mit Dylan, und auch Hudo war froh, dass ihm endlich mal jemand anders auf's Dach gestiegen ist als Heidi…
Ende September ist ihre nächste Station wieder in den USA: New York steht auf ihrem Terminplan. Denn auf der Insel Nantucket ist großes Hetzer-MacKay-Familientreffen angesagt.
Danach will sie weiter entlang der Ostküste nach Florida, vielleicht fährt sie auch noch nach Kuba. Mexiko und Mittelamerika hat sie gestrichen. Es gibt reichlich Unruhe-Meldungen aus diesem Gebiet. Heidi ist zwar taff, aber beileibe nicht lebensmüde.
Goodbye, Dylan, mit Tränen in den Augen und in der Stimme hat sie sich von ihrem Sohn verabschiedet. Der konnte ja nicht ewig bleiben. Heidi übte schon mal Schreiben mit der linken Hand und Dylan hat die ganze Zeit fotografiert. Sie seufzte tief. Dylan war ihr so nützlich. Bei den Dingen des Alltags, die eigentlich selbstverständlich sind. Und plötzlich stellen sich Fragen wie:
Wer wäscht mir jetzt die Haare, macht mir den BH zu?
Text: Jutta Sein
Fotos: Heidi Hetzer