Liebe Leserin!
Lieber Leser!Wenn es darum geht, Fahrzeuge einer bestimmten Kundenklientel schmackhaft zu machen, dann sind die Markenstrategen der Hersteller in ihrem Ideenreichtum und auch in ihrer Sprachgewalt unerschöpflich. Ohnehin sind neu am Markt platzierte Automobile selbstredend für eine selbstbewusste, erfolgreiche, moderne und aufstrebende Käuferschicht konzipiert worden. Schließlich will man den möglichen neuen Kunden mit derlei Persönlichkeits-Attributen umgarnen und ihm schmeicheln.
Bei jungen Menschen kommt es seit geraumer Zeit vor allem darauf an, dass (so Opel-Chef Karl-Thomas Neumann) „das Auto mit der Umwelt und die Umwelt mit dem Auto vernetzt ist. Die Möglichkeiten der Einbindung des Smartphones in das eigene, chice neue Auto, das (wieder selbstredend) ein knubbeliges kleines Kultmobil sein sollte, sind von immer größerer Bedeutung. Wichtiger oft als PS-Zahlen, Drehmoment oder Höchstgeschwindigkeit.
Und dann gibt es da ja auch noch eine Zielgruppe, die besonders umworben sein will und es gibt demzufolge auch Autos, die als die heimlichen „Frauenversteher“ angepriesen werden. Denn um den weiblichen Kunden geht es dabei. Der Ford Fiesta, der Nissan Micra und auf etwas höherem Niveau eine der zahlreichen Mini-Varianten gelten als die klassischen heraus geputzten „Designer-Kisten“ mit Ausstattungsmerkmalen, die „sie“ ansprechen. Putzig, um damit ein wenig auffallend in die Stadt zu fahren. Platz genug, um darin ein paar Einkaufstüten unterzubringen und nicht allzu viel Technik, die ihr einen Strich spielen kann. Und natürlich sollte der Frauenliebling – heiliges Vorurteil! – auch möglichst leicht in eine Parklücke zu manövrieren sein.
So weit, so gut: Doch offensichtlich nimmt die Lust des nur scheinbar schwachen Geschlechtes am Neuwagenkauf immer mehr ab. Das jedenfalls ergab eine in diesen Tagen veröffentliche Untersuchung des renommierten CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen. Dahinter steckt Deutschlands heimlicher „Autopapst“ Professor Ferdinand Dudenhöffer und der muss es schließlich wissen. Obwohl, so das Ergebnis der Studie, Frauen in Deutschland demografisch leicht in der Überzahl sind, habe sich nicht einmal ein Drittel dafür entscheiden können, einen Neuwagen zu kaufen. Das sei der mit Abstand niedrigste Wert seit fast zehn Jahren. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres habe der Frauenanteil bei den Privatkäufern von Pkw gerade mal 32,2 Prozent betragen.
Was schlussfolgern wir aus diesem Resultat? Zielt die Industrie mit ihren Produktneuheiten am weiblichen Kunden vorbei? Denn „Königin Kunde“ stellt eine erheblich Wirtschaftsmacht dar und die ins Abseits zu stellen, kann sich eigentlich kein Hersteller mehr leisten. Ist es die übermäßige Anzahl an SUV, sind es zu viele multifunktionale Crossover oder ist die Autowelt auch mit immer leistungsstärkeren Sportwagen und Roadstern immer mehr zu einer Männerdomäne geworden?
Da das Privatkundengeschäft mit Neuwagen ohnehin ein Sorgenkind der Industrie ist, würde es mich nicht wundern, wenn demnächst wieder mehr Wert auf kleinere Accessoires, auf Chic und Eleganz gelegt werden würde. Denn, so Dudenhöffer, obwohl Frauen genau so mobil sein wollen und müssen wie Männer, gelinge es den Autobauern bei der Präsentation ihrer Neuwagen nicht, Interesse vor allem bei jüngeren Frauen zu finden.
Immerhin: Die Anfänge sind gemacht. Citroën bietet Modelle seiner DS-Flotte bereits mit variablem Parfüm-Spender an und vielleicht zieht ja auch Opel demnächst nach. Statt eines Karl oder eines ADAM dürfen wir vielleicht in absehbarer Zeit mal eine Irmgard begrüßen. Eine Dame dieses Namens nämlich gehörte neben Carl und Heinz zu den Gründungsmitgliedern der Familie von Opel. Aus deren Anfangsbuchstaben übrigens die bekannten CHIO Chips wurden.Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun