Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Mit diesen drei Typen hatte 1985 niemand gerechnet: In Wimbledon gewann ein 17-jähriger bislang unbekannter Tennisspieler namens Boris Becker als erster Deutscher das englische Traditionsturnier, bei den US-Masters der Golf-Profis triumphierte als erster Deutscher Bernhard Langer und bei den automobilen Seriensportwagen griff als erster Deutscher der Nachkriegsära der Porsche 959 nach dem Titel des weltweit schnellsten und teuersten Asphaltbrenners. Mit diesem vom 911 abgeleiteten Supersportler schoss Porsche einen Technologieträger in die Umlaufbahn, wie ihn der Globus noch nicht gesehen hatte. Und das zum astronomisch hohen Preis von 420.000 Mark.

Dennoch war der 331 kW/450 PS starke Turbo so begehrt, dass die limitierte Auflage schon vor Serienstart vergriffen war und bereits die ersten gebrauchten 959 mit Aufpreis gehandelt wurden. Was Bugatti (EB 110), Ferrari (F40), Jaguar (XJ 220) und andere animierte, wenig später einen Supercar-Hype auszurufen. Ausverkaufsgarantie bewies jedoch allein der Porsche 959 als erster über 315 km/h schneller Allrad-Racer. Seine Technik und seine prominenten Käufer aus Sport, Show und Finanzwelt machten ihn legendär. Und zum Ahnherrn einer Generationenfolge von Über-Porsche, die bis zum gerade eingestellten 918 Spyder führt.

Anders als heute zählte in den temposüchtigen 1980er Jahren eine bis 350 km/h reichende Tachoskala noch was. Tatsächlich stand sogar die 300-km/h-Marke vor 30 Jahren noch für eine Schallmauer, die kein Geschoss durchbrach. So reklamierte etwa der Lamborghini Countach S quattrovalvole im Prospekt nur 295 km/h für sich, trotz gerade erfolgter Nachschärfung. Immerhin beschied er sich mit 5,8 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h, womit er in dieser Disziplin gleichauf lag mit dem Ferrari Testarossa. Ein Wert, der das italienische V12-Doppel bereits zu unschlagbaren Assen im Autoquartett machte – bis der Porsche 959 vorfuhr. Fast doppelt so teuer wie der Ferrari brachte der Deutsche das überschäumende Temperament der Gruppe-B-Rallye-Renner in alltagsgerechte Form und auf die Straße. Mit elektronischem Allradantrieb, tempoabhängig regelndem Stoßdämpfersystem und reichlich Renntechnik brannte der Bolide die Beschleunigungsbestzeit von 3,9 Sekunden in die Bahn.

Noch eindrucksvoller waren nur die bei Pressetestfahrten erreichten 320 km/h. Geradeauslauf und Bremswege seien dennoch mit Werten vergleichbar, die andere Fahrzeuge im Bereich unter 200 km/h erreichen, erklärte die „Porsche Presse-Information“ zu Hochgeschwindigkeitsfahrten im 959. Was enthusiastische Medienvertreter bestätigen konnten. So ermittelten amerikanische Journalisten die Topspeed „the German way on the autobahn“, um dann zu resümieren, den Porsche perfekt zu nennen, sei eher eine Untertreibung.

Entsprechend frustrierend wirkte für amerikanische Porsche-Fans die in Zuffenhausen gefällte Entscheidung, auf einen USA-Export dieses Autos der Superlative zu verzichten. Zu den Reichen, die sich trotzdem einen 959 sicherten, soll Microsoft-Gründer Bill Gates gehört haben. Genutzt werden konnten Supercars wie der Über-Porsche in Amerika allerdings erst nach 1998, als das sogenannte Show & Display-Gesetz die Einfuhr und das Fahren von Kleinserien-Meilensteinen erlaubte. Was den Preisnotierungen gebrauchter 959 weiteren Auftrieb verlieh, sogar die Millionen-Mark-Marke wurde durchbrochen. Da konnten Konkurrenten nur ohnmächtig staunen. Etwa Jaguar, wo der XJ 220 nur mit größter Mühe abgesetzt werden konnte. Auch eine 1992 nachgeschobene Sonderserie von acht Porsche 959, die aus Teilebeständen gebaut wurden, fand zu horrenden Preisen von 747.500 Mark (entsprach dem Wert von sechs Porsche 911) in Rekordzeit Liebhaber.

Was machte den ultimativen Porsche so begehrenswert? Es war ein unwiderstehlicher Mix aus einer Technik, die gut war für Rekorde und zugleich Alltagstauglichkeit garantierte. Hinzu kamen Geschichten und Mythen in der Welt der bunten Blätter über prominente, angebliche Porsche 959-Piloten.
Stardirigent Herbert von Karajan wurde ebenso genannt, wie die Namen von Popsänger Falco und von Tenniskönigin Martina Navrátilová, nicht zu vergessen jener Scheich von der arabischen Halbinsel, der seinen 959 teilweise vergolden ließ.

Dabei sollte sich der 959 ursprünglich auf das Revier der Rallyepisten konzentrieren und dort die Rivalen ab Mitte der 1980er Jahre in Grund und Boden fahren. Passend zum neuen „Gruppe-B-Reglement“ entwickelte Porsche deshalb den 959 auf Basis des erfolgreichen 911 SC. Laut Regelwerk mussten allerdings mindestens 200 Fahrzeuge produziert werden, was Porsche durch eine Straßenversion des 959 für gut situierte Stammkunden erreichen wollte.

Tatsächlich ernteten die Stuttgarter schon mit dem Prototyp des neuen Supersportwagens auf der IAA 1983 geradezu euphorischen Applaus und die Produktionszahlen wurden wenig später um fast 50 Prozent erhöht. Bereits bei der Rallye Dakar 1984 testeten mehrere Porsche 911 das elektronisch geregelte Allradantriebssystem des 959 und erzielten auf Anhieb einen Doppelsieg. Ein Versuchseinsatz mit 959-Prototypen bei der Dakar 1985 endete zwar vorzeitig durch unsanfte Berührungen mit Felsbrocken. Dafür holte die finale Version des 959 im Folgejahr souverän den Gesamtsieg bei dieser härtesten Rallye der Welt.

Wie aus heiterem Himmel kam dann jedoch das von der FIA verhängte Aus für die PS-gewaltige Gruppe-B in der Rallye-WM. Porsche konzentrierte sich deshalb auf Le Mans: Schon 1986 holte ein 959 unter dem Typencode 961 den Klassensieg an der Sarthe. Nun startete auch endlich die Auslieferung der Straßenversion des „Entwicklungsträgers für die Zukunft“, wie Porsche sein High-Tech-Modell nannte. Die teils jahrelange Geduldsprobe der wartenden Privatkunden wurde belohnt: Neben dem elektronisch geregelten Allradantrieb wartete der 959 mit der weltweit ersten geschwindigkeitsabhängig arbeitenden Niveauregulierung auf, die den Wagen bei hohem Tempo automatisch absenkte und Fahrstabilität bis zur Vmax verlieh.

Eine ebenso sichere Verzögerung gewährleisteten großzügig dimensionierte, innenbelüftete Scheibenbremsen in Verbindung mit dem damals noch neuen ABS. Erstmals warnte zudem ein neuartiges Reifendruckkontrollsystem an den Magnesiumrädern vor plötzlichem Druckverlust. Vom allerfeinsten auch die Innovationen im Inneren des 331 kW/450 PS starken Triebwerks: Voll polierte und geschmiedete Titan-Pleuel und eine gasnitrierte, siebenfach gelagerte Stahlkurbelwelle fanden sich sonst nirgends.

Genau diese Neuerungen beendeten damals sogar politisch motivierte Diskussionen über Sinn oder Unsinn solch exorbitant kostspieliger automobiler Powerpakete in Zeiten von Waldsterben und Katalysatorpflicht. „Technik, die gut ist für 300 km/h, ist auch für 100 km/h gut“, erklärte etwa ein Frankfurter Architekt und Umweltkämpfer 1985 anlässlich der IAA-Premiere des Porsche. Für die glücklichen 959-Besitzer blieb der Sportler dagegen schlicht die beste aller Fahrspaßmaschinen – und nebenbei eine Geldanlage mit Wertsteigerungsgarantie.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Porsche/SP-X

Nach oben scrollen