Liebe Leserin!
lieber Leser!

Ganz bestimmt, nein selbstverständlich sind auch Sie der Meinung, dass erstens frühes alles viel besser, und schöner und zweitens vor allem erstrebenswerter war. Wie immer, wenn das Thema Nostalgie mal wieder irgendwo hochkocht.
Nostalgie, diese Erfahrungen haben wir wohl alle schon einmal gemacht, hat nicht nur mit der Sehnsucht nach etwas Vergangenem zu tun, sondern sie trägt auch unweigerlich einen Hauch von Sentimentalität vor sich her. Genau so wird es mir – und den meisten anderen dort an diesem Wochenende Versammelten – beim Oldtimer Grandprix auf dem Nürburgring ergehen.

Okay, natürlich werden dort Fahrzeuge von unermesslichem Wert ausgestellt. Werden Piloten am Start sein, die (mindestens) die Vorruhestands-Reife erlangt haben. Und es werden wieder Zehntausende vor Ort sein, die sich an prächtigen blechernen Einzelstücken aus einer Zeit erfreuen, die so ganz allmählich in den Archiven der Geschichtsschreiber verschwindet. Aber das allein wird es nicht sein, weshalb große Konzerne ihre Klassikabteilungen öffnen, warum die Markenclubs das Beste aus vielen Jahrzehnten herausputzen und voller Stolz vorführen. Und auch warum Menschen wie Jacky Ickx, Stig Blomqvist, oder der frühere Le-Mans-Sieger „Dick“ Atwood sich noch einmal in völlig veraltete und unbequeme Automobile zwängen, die heute wahrscheinlich keine Hauptuntersuchung (HU) mehr erfolgreich absolvieren würden.

Der Ausflug in die (vermeintlich) gute alte Zeit soll angeblich auch eine Schutzfunktion für uns haben. Das jedenfalls habe ich neulich bei irgendeiner Lektüre aufgeschnappt, als Probanden verschiedenen Alters zum Thema Erinnerungen, Wehmut, Nostalgie etc. mit elend langen Frage- und Antwortbögen malträtiert wurden. Das Ergebnis war auch für die renommierten Psychologen, die diesen Test zunächst ersonnen und dann ausgewertet hatten, erstaunlich. Menschen, die gedanklich zum Teil bis in die frühesten Kindheitstage zurück gegangen waren, fanden dort in erster Linie hoffnungsvolle und Mut machende Essenzen im Langzeit-Gedächtnis.

Sie erinnerten sich ganz bewusst gerne an Dinge, die sie ehedem zum Lachen gebracht hatten und die Erinnerungen an positive Erlebnisse in ihrem Leben wieder hervor riefen. Nostalgie, so folgerten die Experten daraus, sei auch eine Art Schutzmantel für unsere Seele. Wer sich dem Nostalgischen, also dem Verträumten hingeben kann, der verbreitet bei sich selbst und im Umgang mit seinen Mitmenschen eher Heiterkeit und gute Laune als dass er Trübsal bläst oder zu depressivem Denken und Handeln neigt.

Vielleicht ist darin ja auch der Retro-Trend unserer Tage ein wenig begründet. Die Lust an schönen alten Dingen wird immer offensichtlicher. Seien es Möbel, Klamotten, restaurierte Patrizierhäuser oder eben Automobile. Diese Lust auszuleben, hat offenbar eine Art schützenden Selbstreflex. Weg vom ewigen Druck des alltäglichen funktionieren Müssens. Raus aus dem Hamsterrad der Termine und Verpflichtungen. Alte Dinge, alte Erinnerungen, können wie alte Freunde sein.

Aus genau diesem Grund freue ich mich auch so auf dieses scheinbar zeitlos dahin dämmernde Spektakel mit den wunderschönen Automobilen, die ja eigentlich keinen sichtbaren Alltagsnutzen mehr haben. Wir können mit ihnen weder zur Arbeit, noch ins Wochenende oder zum Sport, ja geschweige denn auf den Parkplatz des Supermarktes fahren. Sie sind einfach nur da und blinzeln uns an: „Habe Freude an mir.“

Und genau das werde ich zwischen diesen rund 600 alten Freunden aus Blech am Wochenende haben. Und wenn es mir richtig gut geht, kaufe ich mir nachher auch noch an einem der vielen, mit Nostalgie beladenen Verkaufsstände so etwas völlig Unvernünftiges wie ein Transistorradio.

Einfach nur der guten Laune wegen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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