Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Wenn Volkswagen-Chef Martin Winterkorn um kurz nach sieben Uhr frühmorgens im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF den Fernsehzuschauern die Auto-Welt aus Wolfsburger Sicht erklären darf, dann muss schon ein besonderer Anlass vorliegen. So wie am Dienstag der gerade zu Ende gegangenen Woche. Der besondere Anlass an diesem Tag bestand dann auch in der Tat. Denn auf dem Genfer Autosalon, bei dem alljährlich die heiß ersehnten ersten Neuheiten des Autojahres auf den Laufsteg geschickt werden, trafen sich die Schwergewichte der Branche. Genf ist Barometer und Indikator – nicht nur für das kommende Jahr – zugleich. Genf zeigt Strömungen und gibt Richtungen vor, wohin die (auto)mobile Reise in den nächsten Jahren und mitunter sogar Jahrzehnten gehen wird.
Im Blitzlichtgewitter der Kameras und unter den heißen Hightech-Strahlern der schwülstigen Prachtstände der Autobauer drehen sich die neuesten Blech-Kreationen. Meist eskortiert und optisch aufgepäppelt von langbeinigen und langhaarigen jungen Damen, die in der Regel am Rande des Hunger-Kollapses lächelnd dahin zu siechen scheinen. Aber der Schein muss sein, auch wenn er manchmal trügt. Und rügt.
Und dennoch waren in diesem Jahr im Palexpo, wo traditionell der Genfer Autosalon über die Bühne geht, ein Fahrzeug und eine Marke der heimliche Star, von denen noch gar nichts zu sehen war. Es ging um die angekündigte Revitalisierung einer Ikone des Automobilbaus, die eigentlich längst dem Staub der unbarmherzigen Geschichte anheim gefallen zu sein schien. Es ging um Borgward. Mit Hilfe von chinesischem Geld soll jenes Label, sollen jene unverwechselbaren Automobile, die Carl F. W. Borgward, der legendäre Bremer Unternehmer, einst auf unsere Straßen geschickt hatte, wieder in neuem Glanze erstrahlen.
Wie gesagt, von einem neuen Borgward-Produkt war in Genf noch nichts zu sehen. Erst im September, auf der IAA in Frankfurt am Main, will man sich, so Christian Borgward, der Enkel des Firmengründers, mit einer Art SUV wieder in der Öffentlichkeit zeigen. Die Marke ist ein Mythos. 50 Jahre nachdem der letzte Borgward vom Band lief, soll die Geschichte ein zweites Mal beginnen. Borgward soll endgültig zurückkehren. „Zwei bis drei Fahrzeuge“, so hieß es in Genf, sollen dann pro Jahr vorgestellt werden. Eine Mammut-Aufgabe. Wie das funktionieren soll? Noch darf spekuliert werden, wie das mit den chinesischen Investoren funktionieren soll. Über alles andere dürfen (und müssen) wir wohl noch warten, bis unter dem Frankfurter Messeturm zum nächsten „Tanz um das Goldene Kalb“ eingeladen wird.
Immerhin: So ganz ohne Einblick in die wunderbare Geschichte des Hauses Borgward ging es dann (Gott sei Dank) doch nicht. Eine wunderschöne Isabella, eigentlich der Begriff des Hauses Borgward schlechthin, zierte den Genfer Salon. Bleibt nur zu hoffen, dass das, was im Herbst als Borgward vorgestellt wird, den Namen auch verdient hat und Isabella sich nicht beschämt zur Seite wenden muss …
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun