Liebe Leserin!Lieber Leser!
Können Sie sich noch an den Aufstand erinnern, als das so genannte „begleitete fahren“ junger Menschen ab 17 Jahren erstmals zur Diskussion gestellt und später auch eingeführt wurde? Bis dahin galt als ehernes Gesetz: Wer bei uns ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr bewegen wollte, der musste mindestens 18 Jahre alt sein, um die dafür notwendige Lizenz zu erhalten. Diese Jahrzehntelang geübte und vorgelebte Praxis wurde dann so ganz allmählich „eingedampft“ und „weich gekocht“. Sich ans Steuer setzen und aktiv ein Fahrzeug bewegen durfte man schon vor dem 18. Geburtstag. Allerdings nur in Begleitung eines erwachsenen Führerschein-Inhabers. Und selbst der musste bestimmte Rahmenbedingungen erfüllen.
Hintergrund für das so genannte „begleitete fahren“ war der Wunsch vieler junger Menschen, möglichst früh am persönlichen Individualverkehr teil nehmen zu können. Denn nicht Wenige bewegten vorher schon entsprechend lizensierte motorisierte Zweiräder und hatten dadurch – auf gut Deutsch gesagt – richtigen „Bock“ aufs Auto fahren. Die logische Schlussfolgerung, so sollte man meinen, wäre dann doch auch bei jungen Menschen. Ich will nicht nur ein Autofahren dürfen, ich will auch möglichst rasch mein eigenes Fahrzeug besitzen und fahren können.
Doch diese Annahme geht offensichtlich an der Wirklichkeit vorbei. Denn wie aus einer der letzten Pressemeldungen des Jahres 2014 hervor gegangen ist, hat das Smartphone als Statussymbol der meisten Jugendlichen das Auto längst auf der Überholspur passiert. Ein Handy mit möglichst vielen Aktivitäten und Web-Möglichkeiten ist dem heranwachsenden Kommunikator offensichtlich wichtiger als ein Fahrzeug dem zukünftigen Mobilitäts-Teilnehmer. Oder, um es etwas einfacher aber hoffentlich treffend zu formulieren: smsen geht vor Gas geben! Und das gilt nicht nur für den Besitz eines eigenen Fahrzeugs.Denn immer weniger junge Menschen, so teilte die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF), am vorletzten Tag des abgelaufenen Jahres mit, machen möglichst früh ihren Führerschein. Das dafür notwendige „Kleingeld“ wird viel lieber in den Besitz eines Multitasking-Smartphones investiert. Der Trend sei vor allem in Großstädten ersichtlich, wo man auch mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder auch mal – wenn es denn nicht anders geht – mit dem „Taxi Mama“ von Punkt A nach B gelangen kann. Nur noch jeder fünfte Jugendliche lege die Fahrprüfung bereits mit 17 Jahren ab.Inzwischen werde laut der zitierten Pressemitteilung „die Abdeckung mit 90 Prozent pro Jahrgang bis zu sechs Jahren später und somit erst im Alter von 23 oder 24 erreicht“. Ähnliche Beobachtungen hätten auch Bundesverband Deutscher Fahrschulunternehmen (BDFU) und das Kraftfahrtbundesamt (KBA) gemacht. Das viel zitierte „breiter, tiefer, schneller“ vorwiegend bei älteren Kompaktfahrzeugen habe als Statussymbol vor allem bei jungen Männern längst nicht mehr „die Lizenz zum protzen“ früherer Jahre. Heute sei man vielmehr „in“, wenn das neueste iPhone oder ein entsprechendes Konkurrenz-Produkt in der Hosentasche stecke, bzw. oder im Café oder in der Disco auf dem Tisch liege.
Eine Meldung, liebe Leserinnen und Leser, die mich zum Jahres-Ausklang ziemlich in Erstaunen versetzt hat. Das gebe ich gerne zu. Noch vor wenigen Wochen hatte ich bei der Essen Motor Show erlebt, wie junge Menschen ihre emotionale Bindung zum Thema Automobil auf dem Welt-Tuninggipfel mit Begeisterung ausgelebt hatten. Und dann diese Statistik die meine Beobachtungen in Essen offensichtlich ad absurdum führte.
Aber, und das ist vielleicht das Tröstliche daran: Es wird nicht die einzige Überraschung des neuen Jahres 2015 bleiben.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun