Tradition: 50 Jahre „Sportler im Business-Dress“

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Wer es zu etwas Wohlstand gebracht hatte, der zeigte dies auch am Ende der Wirtschaftswunderjahre gerne. Ein schnelles und starkes Auto gehörte dazu, denn viele PS bedeuteten viel Prestige. Erstmals waren von Alfa bis Volvo viertürige Sportler angesagt.

Tempo war Trumpf Mitte der 1960er Jahre, nicht nur bei teuren Traumwagen. So gab der Dingolfinger Goggomobil-Bauer Glas Gas mit seiner neuen 1700 Limousine, Opel und Ford führten Sechszylinder für Familien- und Firmenfahrzeuge ein. Volvo schrieb Sport bei Amazon und Buckel ebenso groß wie Sicherheit, Fiat warb mit viel Velocità masssima für wenig Geld und die bis dahin betuliche englische Mittelklasse mutierte zu 100-Meilen-Dauerläufern (160 km/h) für die frisch eröffneten und noch unlimitierten Motorways auf der Insel, aber auch für Speed Trials auf dem Kontinent.

Allerdings litten die Angelsachsen unter ungünstigen Wechselkursen, wodurch etwa der avantgardistische Rover 2000 in Deutschland so teuer war wie die luxuriöse Mercedes-Benz S-Klasse. Entsprechend klein blieben die Verkaufszahlen der schnellen Rover-Limousine.

Als „Porsche mit fünf Plätzen“ bezeichneten manche Medien die Mittelklasse-Limousine BMW 1800 bereits, als der Viertürer mit 66 kW/90 PS vorfuhr. Begnügten sich doch konventionelle Familienkutschen etwa von Volkswagen oder Ford mit gerade einmal zwei Dritteln dieser Leistung. Zum ultimativen Dynamiker in der mittleren Dienstwagenklasse mutierte der BMW 1800 in den Ausbaustufen TI und TI-SA.

BMW bewies, dass der gelungene Mix aus sportiven Formen und starken Motoren gut war für gänzlich neue Bestseller in der Businessclass. Tatsächlich waren die BMW-Vierzylinder-Viertürer auch schneller als viele repräsentative Sechszylinder-Limousinen, wie bei den damals populären Autobahn-Duellen nicht wenige Mercedes-S-Klasse- und Opel-Kapitän-Chauffeure frustriert konstatieren mussten.

Auch der mit großem Reklameaufwand eingeführte Opel Rekord L-6 mit 74 kW/100 PS starkem Sechszylinder aus dem Kapitän konnte nicht kontern. Nur 16.000 Käufer der lange Zeit populärsten deutschen Mittelklasse-Baureihe entschieden sich für den schnellen Sechsender.

Dagegen vermittelten V6-Motoren im überraschend erschwinglichen neuen Ford Taunus 20 M erfolgreich das Gefühl von Leistung wie in der Oberklasse. So war der 20 M ein prickelnder, preiswerter Cocktail, der die Kölner Autobauer in höhere Sphären katapultierte und die gehobene Mittelklasse mit Sturmgewalt durcheinander wirbelte. Dies sogar durch den V6-Kombi 20 M Turnier: Sportiver Lifestyle in einem schnellen Transporter, das hatte es so noch nie gegeben.

Zu den deutschen Dynamikern gehörte der Glas 1700. Dieser Viertürer etablierte Europas damals kleinsten Großserienhersteller Glas kurzzeitig in der Mittelklasse. Dort trat der bis zu 74 kW/100 PS starke Wagen direkt gegen die BMW 1600 bis 1800 an. Knapp 14.000 Käufer begeisterten sich in drei Jahren für den viertürigen Glas.

Volvo hatte bereits seit Mitte der 1950er Jahre erst mit schnellen Buckelmodellen (PV 444 & PV 544 Sport) und dann mit aufregenden Amazonen (P 122 Sport) Amerika und Westeuropa erobert. Die traditionsreiche Sportwagenmarke Triumph ließ ihren Triumph 2000 vom italienischen Stardesigner Giovanni Michelotti in betont dynamische Formen kleiden, an Bord ein 66 kW/90 PS starke 2,0-Liter-Sechszylinder.

Alfa Romeo wiederum schrieb die Erfolgsstory der Giuliettas mit ihrer Tochter Giulia fort, das Geheimnis: erschwingliche Sportlichkeit für die ganze Familie und ein Charakter voller Kanten und Charisma – unter anderem durch reinrassige Sportwagentechnik und moderne Aluminiummotoren, die schon zur Modelleinführung eindrucksvolle 68 kW/92 PS Leistung freisetzten. Das war sogar mehr Kraft als sie etwa Porsche 356 oder BMW 1500. Ausstattungsdetails wie Scheibenbremsen rundum, Fünfganggetriebe, Dreipunkt-Automatikgurte und Drehzahlmesser setzten in den 1960er Jahren Maßstäbe.

Als erstes italienisches Großserienfahrzeug verfügte Lancias Flavia über Vorderradantrieb und Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Außergewöhnlich war auch der 68 kW/92 PS leistende Leichtmetall-Boxermotor, der vor der Vorderachse platziert war. Die ambitionierte Preisgestaltung und das dünne Händlernetz limitierten allerdings den Erfolg dieses Lancia in Deutschland.

Ganz im Gegenteil zu den erfolgreichen Fiat 1500. Diese flotten Italiener waren 155 km/h schnell, kosteten aber kaum mehr als etwa ein 20 km/h langsamerer und nur zweitüriger VW 1500 S. Kein Wunder, das der Fiat 1500 in Italien wie in Deutschland für den realisierbaren Traum des aufsteigenden Angestellten stand.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Hersteller/SP-X

Scroll to Top