Mal ehrlich – geht es Ihnen auch so? Sie haben einen Termin beim Hausarzt, und die Dame an der Rezeption sagt bedauernd: Der Chef ist leider krank, aber eine Vertretung ist da – und Sie reagieren erst mal ungläubig: Wie – einer, der andere zur Genesung begleiten soll, erkrankt selbst?
Wissenschaftler sind auch Menschen und gegen Beeinträchtigung nicht gefeit. Klingt banal, aber unsere Wahrnehmung sträubt sich gegen die simple Tatsache. Heinrich Zankl und Katja Betz zeigen an prominenten Beispielen der Wissenschaftsgeschichte, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zwingend eine wissenschaftliche Tätigkeit beenden müssen. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich der Physiker Stephen Hawking.
Ein Sonderfall unter den prominenten Forschern, weil als Arzt und Autor populärer Werke auf wissenschaftlicher Grundlage bekannt geworden, ist der Neurologe Oliver Sacks. Der Verfasser eines bekannten Buches zur Migräne, übrigens selbst Migräniker, stürzte bei einem Unfall so schwer, dass neurologische Beeinträchtigungen folgten. Er reagierte auf seine Weise – mit einem Buch über die Erfahrung. Anzunehmen ist, dass diese Erfahrung den ohnehin empathischen Mediziner für die Belange seiner Patienten weiter sensibilisierten.
Berührend auch das Beispiel des Kinderarztes Oliver Semler, der, von der Glasknochenkrankheit betroffen, sich als Mediziner selbst genau dafür einsetzt, mit Mut und Witz gleichermaßen gegen jede Art von Mitleid im Sinne einer gut gemeinten Ausgrenzung vorgehend.
Mit zahlreichen weiteren Beispielen – dem schwerhörigen Thomas Alva Edison, dem von Atemproblemen betroffenen Karl Jaspers, dem chronischen Schmerzpatienten Karl Marx und vielen anderen – gelingt dem Autorenteam ein beeindruckendes, ein spannendes Buch ohne jedes falsche Pathos. Auch ein aufklärendes Kapitel über die jeweilige Krankheit (auf dem Stand von 2014!) gehört zum Buch.
Einsatz für Kranke, seien wir ehrlich, kann gründlich daneben gehen – wenn er gut gemeint und somit das Gegenteil des Guten ist. Hier ist er vollends gelungen, und wenn der Verlag das im Klappentext als die etwas anderen Paralympics beschreibt, dann ist das treffend und salopp formuliert. Angemessen salopp.
Heinrich Zakl/Katja Betz: Trotzdem genial. Darwin, Nietzsche, Hawking & Co. Viley VCH Verlag; 24,90 Euro.