Liebe Leserin, lieber Leser!

Am vergangenen Wochenende hatte ein Freundeskreis von Liebhabern landwirtschaftlicher Zugmaschinen, also auf gut deutsch ein Traktor-Club in der Nähe meines Heimatortes, zu seinem Jubiläumsfest eingeladen. Man kennt sich in dieser Szene, besucht sich gegenseitig zu allen möglichen Anlässen und erfreut sich der wunderbaren Dinge, die der liebe Gott für das technisch interessierte „Kind im Manne“ geschaffen hat. Dem einen seine Harley ist dem anderen sein Lanz. Und wo manch einer in seliger Eisenbahn-Romantik vor sich hinträumt, da erfreut sich das Pendant an jenen Zeiten, als der erste Schlepper das Pferd ablöste.

Leute, die sich in solchen Klubs tummeln, sind in der Regel Bastel- und Repairfreaks. Liebhaber von Derivaten aus längst vergangenen Dekaden der Bearbeitung von Acker und Scholle haben dort eine Aufgabe gefunden: Traktoren, Trecker und Bulldogs zu erhalten und wieder zusammenzubauen, die kein Mensch mehr braucht. Doch darum geht es nicht. Im Fokus steht vielmehr die Tatsache, dass sich eine möglichst große Menge von Szene-Mitgliedern, Schaulustigen und Gästen daran erfreuen kann.

So war es auch vergangene Woche beim Jubiläumsfest des besagten Traktorclubs. Viele Traktor-Experten aus ganz Deutschland und den Benelux-Staaten waren mit gut und gerne 50 Exemplaren nicht nur unter sich, sondern gaben auch gerne kompetent und bereitwillig den Umstehenden Auskunft über Technik und Geschichte der liebevoll wieder auf die Räder gestellten Dinos.
Doch wer sich die Mühe machte und sich ein wenig umsah, der sah bald, dass die Trecker- und Schlepper-Romantik nur ein Teil der Veranstaltung war und dass es auch dabei (zumindest teilweise) ums Geschäft ging. Hersteller moderner Zugmaschinen, deren Exponate Hightech-Geräte mit Elektronik und Satellitensteuerung sind, hatten die Veranstaltung zum Anlass genommen, ihre Produkte ebenfalls auf einer angrenzenden Wiese „ins Schaufenster“ zu stellen. Der Markt für Traktoren, so erklärte uns ein Mitarbeiter des „Instituts für Agrartechnik an der Universität Hohenheim“, sei ebenso vielfältig wie unüberschaubar. Von kleinen, leichten und wendigen Traktoren für den Hof mit 30 PS bis hin zu 600-PS-Ungetümen mit acht oder zehn Reifen, die im mittleren Westen der USA oder in den Weiten des riesigen Russland eingesetzt werden.

Es gebe, so erklärte er uns, Traktoren mit Schallschutz-Kabinen, luftgefederten Fahrersitzen und Doppelkupplungs-Getriebe mit mechanischer Kraftübertragung. Das seien teilweise Wunderwerke der Agrar-Technik, die für einen sechsstelligen Euro- oder Dollarbetrag von Marktriesen wie etwa John Deere an die großen Genossenschaften ausgeliefert werden. Da geht es wirklich nur noch um Wirtschaftlichkeit und Effizienz.
Anhand von Prospekten oder per Video konnte man sich ein Bild davon machen, wie moderne Traktoren-Arbeit für den Landwirt oder die Genossenschaft von heute aussehen kann. Oder auch muss. Dass das Rad der Zeit auch in der Landwirtschaft nicht mehr zurück gedreht werden kann, war nicht nur den Liebhabern der klassischen Schlepper und Trecker klar. Die Anziehungskraft der hypermodernen Riesen war aber wirklich nur ein Teil dieses Wochenendes. In Wirklichkeit ging es doch um die Historie von Trecker, Traktoren und mobiler Landwirtschaft. Und um das Bewahren dieses Erbes. Der Beweis: Auch der Herr mit dem Stand der modernen Hightech-Geräte war Mitglied des veranstaltenden Clubs.

Ohne einen Schuss selig machender Abenteuer-Romantik geht es wohl auch beim schnöden Kommerz im Landwirtschaftswesen nicht.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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