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Ausgerechnet die Grande Nation muss sich heute mit profanen Mittelklassemodellen begnügen, wenn es um prestigieuse staatstragende Auftritte vor dem Elysée-Palast geht. Da werden sich viele Franzosen wehmütig an die glanzvollen Paraden luxuriöser Limousinen unter früheren Staatspräsidenten erinnern. Etwa an das Jahr 1974, als der futuristische Citroën CX vorgestellt wurde und mit gepfeilter Linie dem Überschalljet Concorde Konkurrenz zu machen schien.

Tatsächlich stand schon der Name der stromlinienförmigen Limousine für einen souveränen cW-Wert (französisch: CX). Und rekordverdächtig schnell war der CX ebenfalls – zumindest für Vierzylinder-Limousinen seiner Leistungsliga. Entsprechend rasant hielt die neue Avantgarde von Citroën Einzug in den präsidialen Fuhrpark – wo sie gleich auf zwei weitere Markengeschwister traf. War 1974 für Citroën doch das legendäre „Drei-Königsjahr“, in dem die Marke im Zeichen des Doppelwinkels mit einem Flaggschiff-Triumvirat die ganze französische Oberklasse dominierte. An der Spitze der Citroën SM – von den Fans „Sa Majesté“ genannt, der als von Karossier Chapron gebauter Landaulett die Paraden von Präsident Valéry Giscard d’Estaing anführte. Dahinter die göttlich-genialen DS-Limousinen mit bereits fast 20-jähriger Dienstzeit. Für Frische sorgte der neue Citroën CX als designierter Nachfolger der DS. Eine Aufgabe, die das von Robert Opron entworfene skulpturale automobile Kunstwerk bravourös löste. Davon kündet die Zahl von rund 1,2 Millionen CX Limousinen und Kombis, die Citroën bis 1991 verkaufte – drei Mal so viel wie vom Nachfolger XM. Der Citroën CX war ein zeitlos moderner Freigeist, mit dem sich die wohlhabende Bourgeoisie ebenso gern schmückte wie die Staatsführung der DDR oder eher ungepflegt wirkende Raubeine wie TV-Tatort-Kommissar Horst Schimanski.

Bis es soweit war, musste Citroën aber erst einmal eine Existenzkrise überwinden, zu der die immensen Entwicklungskosten des CX nicht unerheblich beigetragen hatten. An den Rand des Ruins hatte der geniale Automobilkonstrukteur André Citroën („Wenn eine Idee gut ist, ist kein Preis zu hoch) sein Unternehmen zwar bereits in den Anfangsjahren geführt. Die Situation vor 40 Jahren war aber doch außergewöhnlich dramatisch. Mitten in der Wirtschaftskrise der ersten Ölverknappung stand Citroën vor dem Aus. Hohe Entwicklungskosten für den Kreiskolbenmotor, der auch für den CX angedacht war, sich jedoch als Irrweg erwies, die neuen Modelle SM, GS und CX und schließlich der Bau des hochmodernen, teilautomatisierten Werks Aulnay-sous-Bois für die Fertigung des CX hatten die Kasse so sehr geplündert, dass ein staatlicher Überbrückungskredit benötigt wurde. Bewilligt wurde dieser aber erst, als Erzrivale Peugeot das Ruder bei Citroën übernahm.

Zwei Jahre später ging Citroën endgültig im neu gegründeten Konzern PSA Peugeot Citroën auf – und der Überbrückungskredit konnte vorzeitig zurückgezahlt werden. So gut liefen die Geschäfte mit dem CX bereits. Tatsächlich war „Fahren wie Gott in Frankreich“ so populär wie einst mit der DS, die 1975 ihrem Nachfolger endgültig das Feld überließ. Nicht nur in Deutschland, auch auf vielen anderen Exportmärkten konnte Citroën mit dem CX sogar Peugeot überholen und um den Rang des größten französischen Importeurs kämpfen.

Was machte den Citroën CX zum neuen Star auf Direktionsparkplätzen, vor Supermärkten, an Taxiständen und als Chauffeurlimousine auf der Avenue des Champs-Élysées? Es war die Fortschreibung der Faszination, mit der sich zuvor die DS-Modelle in die Geschichte von Technik, Kunst und Kultur eingeschrieben hatten. Ein Talent, das europäischen CX-Konkurrenten wie Mercedes „Strich-Acht“ und BMW 5er, aber auch S-Klasse und BMW 7er fehlte. Nicht einmal Avantgardisten wie NSU Ro 80 und die großen Rover V8 der Serie „SD“ konnten hier mithalten.

Ganz anders sahen allerdings die Ergebnisse nüchterner Tests in der Fachpresse aus. Hier fuhr die damals beispiellos breite Familie aus CX selten ganz vorn, gleich ob es sich um Limousine, Prestige (mit Hochdach und 3,10 Meter Radstand), den familienfreundlichen Break oder die dreiachsigen Transportriesen von Tissier handelte (1,8 Tonnen Nutzlast bei 160 km/h Vmax). Ruhm ernteten die Tissier-Citroën als rasende Zeitungskuriere auf der Route Paris-Frankfurt. Auch die Rostanfälligkeit früher Citroën CX und anfänglich desaströse Ergebnisse in Dauertests. In einem 80.000-Kilometer-Dauertest machten über 100 Mängel eine Limousine zum Stammkunden in Werkstätten. Auch der Wertverlust war überdurchschnittlich. Seine Anziehungskraft verdankte das französische Flaggschiff anderen Gründen.

Wie groß diese Ausstrahlungskraft des CX war, zeigte sich bei der Wahl zum Medienpreis „Auto des Jahres“. Dort holte der Citroën 1975 den Titel und verwies den in seiner Klasse noch revolutionäreren Kompakten VW Golf mit riesigem Abstand auf Platz zwei. Die Gründe für diese Erfolge? Äußerlich war es die ultraflache Stromlinie von nur 1,36 Meter (kaum höher als ein Porsche 911) bei einer repräsentativen Länge von 4,63 bis 4,91 Meter (CX Prestige). Im Interieur begeisterte der opulente Raum für die Fondpassagiere dank eines riesigen Radstandes, der im CX Prestige mit 3,10 Meter sogar den Rolls-Royce Silver Shadow übertraf. Nicht zu vergessen der 1975 eingeführte Großkombi CX Break, der sich rühmte, weltweit geräumigster Frontantriebskombi zu sein. Nicht fehlen durften im CX der spacige Kommandostand mit digitaler Lupeninstrumentierung (in späteren CX durch konventionelle Rundinstrumente ersetzt) und das hydropneumatische Fahrwerk für eine Fortbewegung, die nur als Gleiten oder Dahinschweben bezeichnet werden konnte. Schließlich eine Servolenkung mit Hochdruck-Hydraulik, die sich automatisch zentrierte, sogar im Stand. Das alles waren letztlich Evolutionen aus der DS, ebenso wie der bescheidende 75 kW/102 PS leistende 2,0-Liter-Basis-Vierzylinder, der von der Göttin übernommen wurde. Dennoch präsentierte sich der CX als neu komponiertes Kunstwerk. Ein Kunstwerk, das Frankreich auf der Straße an die Spitze führen sollte, so wie die Concorde am Himmel und der Hochgeschwindigkeitszug TGV auf der Schiene.

Zunächst gelang dem CX dies im Motorsport bei materialmordenden Staub- und Schlammschlachten: 1977 belegte die Limousine die ersten fünf Plätze der Rallye Senegal und bei der Marathon-Rallye London – Sydney ging der Konstrukteurstitel nach France. Der erste Selbstzünder von Citroën, der CX 2200 D, errang 1978 bei der Rallye Monte Carlo den ersten Platz unter den Diesel-Pkw. Nach Überwindung der Kinderkrankheiten konnten die Citroën also auch zuverlässig sein. Vor allem aber waren sie schnell und sparsam. Als Turbodiesel mit Ladeluftkühlung rannten die gerade einmal 88 kW/120 PS leistenden sanften Riesen 192 km/h schnell, nachdem sie den Sprint von Null auf Tempo 100 in nur 10,9 Sekunden bewältigt hatten. Im Jahr 1987 waren dies Weltbestwerte für Vierzylinder-Selbstzünder. Sogar in der Sechszylinder-Liga machte der CX seinem Werbeslogan „Ein Diesel wie Champagner“ Ehre. Andererseits konnte das 2,5-Liter-Kraftwerk auch knausern: Gerade einmal 4,9 Liter bei Tempo 90 gönnte sich der Diesel. In dieser Hubraumkategorie ebenfalls rekordverdächtig.

Der stärkste Benziner gab derweil 124 kW/168 PS ab und nannte sich CX 25 GTi Turbo. Optische Speedsymbole wie der hohe Doppelspoiler, Doppelreflektoren und das T-Zeichen auf der Motorhaube warnten vor dem fast 220 km/h schnellen Autobahnraser, der alle anderen Vierzylinderlimousinen verbrannte. Aggression war dem Tempo-Weltmeister aber eigentlich fremd. Viel schöner war das Schweben auf Wolke sieben, vor allem im fürstlichen Fond des Lieblings langer Strecken. Eine Disziplin, die der CX nicht weniger als 17 Jahre beispielhaft beherrschte. Dann ging er zugunsten des neuen XM in den Ruhestand – ohne wirklich alt zu sein.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Citroën

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