Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Retro ist „in“. Das gilt nicht nur für den Automobil-Bereich, sondern auch für viele andere Konsumgüter. Ein regelrechter „Ostalgie-Hype“ spülte Konsumgüter, die einst zu Honeckers Zeiten die DDR seligen Angedenkens überspülten, in Andenkenläden neuester Prägung wieder nach oben. Doch Spreewald-Gurken, Grüner Grütze oder Ampelmännchen-Bonbons zum Trotz: Nirgendwo sonst findet sich der untergegangene Sozialismus in seiner reinsten Form so wieder, wie das nun einmal beim Automobil der Fall ist. Ein Fahrzeug, das sogar die Lebensgeschichte des seligen Zweitakter-Dinos Trabant 601 in den Schatten stellt, kommt dabei in diesen Tagen unvermittelt wieder zu Ruhm und Ehre in den Schlagzeilen. Es geht um einen mittlerweile 60 Jahre alten FSO Warszawa.

Dieser „Sozi-Bomber“ gehörte einst dem verstorbenen Papst Johannes Paul II, als dieser noch Erzbischof von Krakau in seiner polnischen Heimat war. Ein Unternehmer aus dem thüringischen Ilmenau, der eine stattliche Anzahl von Oldtimern sein eigen nennt, entdeckte die polnische Replik eines russischen Probeda vor zwei Jahren im Internet. Angeboten wurde es vom Neffen des früheren Papst-Chauffeurs zu dessen Erzbischof-Zeiten. Marek Schramm, so heißt der Oldtimer-Liebhaber aus der Mitte Deutschlands, stellte Nachforschungen an und ging der „ziemlich vergammelten Karre“ auf den Grund.
Doch Originaldokumente wie das Garantiebuch, der Kaufvertrag und die Zulassung, die Fahrgestell- und Motornummer bewiesen: Der Wagen, der so ein bisschen einem Buckel-Volvo gleicht, war von 1958 bis 1977 auf Wojtyla zugelassen. In den beiden nächsten Jahren investierte Schramm mit einem großen Helferstamm Tausende von Arbeitsstunden, um die automobile Ikone aus den Zeiten des kalten Krieges wieder flott zu machen. Jetzt, nachdem fast jedes Einzelteil zerlegt, Original-Ersatzteile besorgt und alles wieder restauriert wurde, sagt Schramm mit Stolz: „Der Oldtimer ist fast zu 100 Prozent echt.“

Demzufolge soll das ansonsten nicht mehr im aktuellen Straßenbild anzutreffende Fahrzeug jetzt auch zu einem besonderen Zweck eingesetzt werden. In diesen Tagen will der neue Besitzer damit zur Heiligsprechung von Johannes Paul II. nach Rom fahren. Am 27. April, dem Tag dieses Ereignisses, will er über den Umweg Berlin – Danzig – Warschau – Krakau dort ankommen. Das Auto soll also noch einmal auf den Lebensstationen seines früheren Besitzers bewegt werden.

Bleibt also nur zu hoffen, dass Fahrer und Fahrzeug diese Mammut-Tour auf den Spuren kirchlicher und automobiler Historie heil überstehen und zum vorgesehenen Tag heil in der „ewigen Stadt“ ankommen werden.Das wäre dann eine in der Tat „bewegende“ Geschichte.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun.

Scroll to Top