Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Die Auswahl an öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh-Anstalten übersteigt das Informationsbedürfnis des normalen Zuschauers um Längen. Diese Erfahrung werden auch Sie wohl schon des Öfteren gemacht haben, wenn sie sich mal wieder nicht auf das Schauen einer bestimmten Nachrichtensendung, eines bestimmten Filmes, eines bestimmten Sportereignisses festlegen wollten. Oder konnten. Ein Kanal der ganz speziellen Sorte ist Servus-TV. Das ist so etwas wie der österreichische Heimsender von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz. Ausgerechnet dieses ansonsten so beflügelnde Medium trat vor dem Abflug nach Australien zum Saisonstart gehörig auf die Spaßbremse des Dominators der vergangenen Jahre.
Angesichts der höchst unbefriedigenden Ergebnisse im Vorfeld der am Wochenende beginnenden neuen Formel-1-Saison wurden die Heroen der vergangenen Woche vor die Kamera zitiert, um die Erwartungen schön klein zu halten. Zunächst einmal, so beteuerte Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel, „wollen wir ins Ziel kommen, was zur Zeit schon ein Erfolg wäre.“ Und wenn auch noch, einem glücklichen Umstand folgend, der eine oder andere Konkurrent der vergangenen Jahre Selbiges nicht sähe in Australien, dann „könnten wir sogar mit dem einen oder anderen Punkt rechnen.“
Hört, hört: Ist das Red Bull? Ist das Vettel? Sind das die Wunderautos, ist das der galaktische Pilot aus dem Odenwald, der den Ferraris, McLarens, Mercedes‘ und Lotus‘ dieser Welt um die Ohren fuhr, wie er wollte? Okay, gut: Die Testfahrten vor Saisonauftakt in Down Under verliefen für Vettels Team ziemlich ernüchternd. Der neue Red Bull fiel ein ums andere Mal aus, Vettel absolvierte kaum die Hälfte der Testkilometer, die die Konkurrenz abspulte. Den letzten Testtag in Bahrain hatte der Vierfach-Champion sogar abgebrochen.
Damit nicht gar alles an Fehlern und Pannen an den eigenen Leuten hängen bleibt, hat man jetzt auch Motorenlieferant Renault einmal vorsorglich mit ins (leck geschlagene) Boot geholt. Die Red-Bull-Verantwortlichen wollen nun am wenigsten die Last der Misere tragen. Die „graue Eminenz“ des Hauses, Helmut Marko, erklärt via Servus TV, die Schuld für das Testdesasters liege nicht bei Red Bull, sondern bei Motorenlieferant Renault. Das zeitliche Problem ergibt sich dadurch, dass Renault – im Vergleich zu Ferrari und Mercedes – nur den Motor alleine am Prüfstand getestet hat, ganz ohne Getriebe.“
Da mag dann wirklich etwas daran sein, dass so ein Wunder-Triebwerk der neuen Motorengeneration nicht zeigen kann, was in ihm steckt, wenn man das Getriebe außer acht lässt. Denn, und das gilt für das neue Dienstfahrzeug von Sebastian Vettel genau so wie für die früheren Zweitakt-Produkte aus Zwickau: Bringt man die Kraft nicht auf die Straße, ist sie reiner Selbstzweck. Und so was geht nun einmal nicht ohne Getriebe. Wie aber will man Probleme, die bei einem Rennen auftreten, ausmerzen, wenn man sie vorher weder simulieren konnte, geschweige denn, wenn sie nie wirklich aufgetreten sind?
Das gute an der ganzen elend langen Fernseh-Diskussion war: Bei allem Gejammer aus der weltmeisterlichen Hochburg der vergangenen Jahre dürfen wir doch eines erwarten ab Sonntagmorgen: Wenn es von vorne losgeht, sind die üblichen Verdächtigen wieder mit vorn dabei. Auch wenn die Red-Bull-Leute von sich behaupteten, dass „wir momentan nicht da sind, wo wir hin wollen.“Aber wer kann das schon allen Ernstes immer von sich behaupten. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man kein Formel-1-Weltmeister sein.Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun