Zu Beginn der 1980er-Jahre drohte die Formel-1-Welt, die sich immer mehr dem Diktat der Geldgeber unterwerfen musste, sich selbst zu zerfleischen. Die beiden großen Verbände FISA (Weltsport-Automobilverband) und Foca (Fahrer-Vereinigung) buhlten um die interne Macht, die Formel-1-Macht schien keine Grenzen und keine Vernunft mehr zu kennen. Die Turbo-Motoren der großen Motoren waren längst bei mehr als 600 PS in den Motoren angekommen, auf den Prüfständen und selbst im Qualifikations-Training ging es hinauf bis zu 1300 PS und mehr. Die folgenschweren Unfälle gerieten angesichts der Leistungsexplosion und der unbefriedigenden aerodynamischen Einwicklung der Fahrzeuge nicht mehr aus dem Blickfeld. Fahrer-Pilot Jacques Villeneuve (sein Sohn Gilles trat später in seine Fußstapfen), war der Mann mit dem größten Namen unter den Todesopfern auf der Rennstrecke.
Neue Dominatoren betraten die Bühne, auf der sich inzwischen High-Tech-Fahrzeuge mit ultraleichten Monocoques tummelten. Alain Prost, der später den Beinamen „Professor“ bekommen sollte, war einer von ihnen. 1984 kam aus der Formel 3 ein junger Brasilianer hinzu, der sich über Jahre um die Vorherrschaft mit dem Franzosen streiten sollte und schließlich den tragischen Tod auf der Rennstrecke starb: Ayrton Senna ist bei den Brasilianern auch heute noch, fast 20 Jahre nach dem schrecklichen Geschehen beim Großen Preis von San Marino am 1. Mai 1994, ein unsterblicher Volksheld. Dass am gleichen Renn-Wochenende mit dem Österreicher Roland Ratzenberger im Simtek ein weitestgehend unbekannter Fahrer bei Tempo 315 kollidierte und verstarb, ist die Tragik eines Mannes, dessen Person und Schicksal im Schatten des „Über-Fahrers“ Senna unterging.
Die FISA reagierte endlich angesichts der Serie fürchterliche Unfälle, die die Formel 1 quasi seit dem ersten Jahr 1950 begleitet hatte. Die Autos mussten sich einem festgelegten Frontal-Crash-Test unterziehen, eine bestimmte Cockpit-Größe haben und schließlich wurde der sogenannte Hans (Head-and-Neck-Support) eingeführt, das Kopf, Nacken und Hals schützen sollte. Die Frage, ob der verstorbene Senna oder Michael Schumacher, der 1994 im Benetton seinen ersten von sieben WM-Titeln gewann, der Bessere von beiden war, konnte somit nie gelöst werden.
Die Formel 1 war längst zu einem gigantischen Medienspektakel mit Milliarden-Umsätzen geworden. Vor allem der Hype um Schumacher, den die Fan-Gemeinde als „Schumi“ für sich vereinnahmte, ließ das Merchandising-Geschäft förmlich explodieren. Formel 1, Tennis, Fußball: Drei Sportarten beherrschten die Fernsehkanäle, die Tageszeitungen, die Rundfunkstationen und ganz allmählich auch die aufkommenden digitalen neuen Medien. Künstlich implantierte Kurse in die Welt arabischer oder (fern)östlicher Oligarchen verdrängten die Traditions-Rennstrecken der vergangenen Jahrzehnte ganz allmählich. Nur einige überlebten (noch). Die Ardennen-Autobahn von Spa-Francorchamps beispielweise mit der wohl berühmtesten Kurve in 65 Jahren Formel 1. „Eau Rouge“, die ultimative Mutprobe auf vier Rädern.
Derzeit beherrscht wieder ein Deutscher die Schlagzeilen, dieses Mal in Diensten und entlohnt von einem österreichischen Brause-Hersteller. Viele Namen von Fahrern, Rennstrecken, Rennställen kamen und gingen in dieser Zeit bis zum Beginn des Rentenalters am kommenden Sonntag: Gehalten hat sich vor allem einer: der des „Cavalhino rampante“, des „Aufsteigenden Pferdes“ aus Maranello. Ferrari.
Von alledem bekommt der Mann, der das Pferd zu neuer Blüte führte, (immer) noch nichts mit: Er kämpft seit Ende des Jahres einsam, aber hoffentlich beharrlich, auf einem Krankenzimmer um die Rückkehr ins Leben.Text: Jürgen C. Braun/Fotos: Archiv: Jürgen C. Braun
Quellenangabe: „Die Geschichte der Auto-Rennen“, Giuseppe Guzzardi, Enzo Rizzo, 2000; „Die Deutschen in der Formel 1“, Erich Kahnt, 1995;Turbo- und Kompressor-Motoren, Gert Hack, 3. Auflage, 2001.