Jeder Mensch über 40, der glaubt, er könne sich so ohne Weiteres erlauben,ein Punk-Festival zu besuchen, eine violette Trainingsjackevon Puma zu tragen oder öffentlich Skateboard zu fahren,nur weil er sich gerade so fühlt, riskiert es, von seiner Umweltals irgendwie tragische Figur wahrgenommen zu werden.
Ähm – ja! Was Harald Braun schreibt, kann ich – drei Monate vom 47. Geburtstag entfernt – bestätigen. Als Mittzwanziger, zum Beispiel, fand ich Leute peinlich, die den Eindruck machten, mittels Kleidung ihre nicht mehr gegebene Jugend in die Länge zu ziehen. Und plötzlich, jedenfalls kommt's mir so vor, muss ich mich selbst fragen: Wie funktioniert denn das Älterwerden, ohne dass man eines der beiden Extreme peinlich oder verkrampft seriös erwischt? Spätestens, wenn der Theker, der mein Sohn sein könnte, mich ganz selbstverständlich siezt, steht die Frage an. Harald Braun, selbst Jahrgang 1960, hat völlig Recht: Gute Antworten darauf hat man in der Literatur bisher vergeblich gesucht, jedenfalls als Ratgeber. Und dass man in Zeitschriften und bei Fitness-Studio-Werbung als Best Ager oder Silver Ager gehandelt wird, ist jedenfalls keine umfassende.
Also geht Braun der Frage selbst nach, gleichermaßen amüsant wie hellsichtig. Kleidung, Sportarten, innere Einstellung – keinen wichtigen Aspekt lässt er aus. Er balanciert bei dem überaus sensiblen Thema stilsicher zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Das Schönste daran: Er schafft es, dass man vor dem ehemals gefürchteten, unvermeidlichen Prozess die Angst verliert – und ihn als bevorstehendes Abenteuer spannend findet. Was heißt bevorstehend – Mann ist vielleicht schon mittendrin.
Harald Braun: Grauzone. Lässig älter werden. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 9,90 Euro.