Als Motoren-Hersteller des Weltmeister-Autos von Red Bull und damit auch von Sebastian Vettel hat Renault sich bislang unter Wert verkauft. Nur eingefleischte Formel-1-Fans wissen, dass ein Aggregat des französischen Autobauers auch den neuen RB9 für die Saison 2013 befeuert. Mit Hilfe des vierfachen Formel-1-Weltmeisters und ehemaligen Rennstallbesitzers Alain Prost will Renault seine Verdienste an den Erfolgen von Auto und Fahrer nun expliziter ins Licht rücken.
Le professeur – Der Professor – diesen ehrenvollen Beinamen trägt das einstige Formel-1-Genie Alain Prost in seiner Heimat. Der kleine, große Mann aus der Turbo-Ära von Renault soll jetzt als Botschafter des ehemaligen französischen Staatskonzerns offensichtliche Schwächen bei der Vermarktung der Titelsammlung eliminieren. Ende 2012 hat sich der französische Autobauer die Dienste seines ehemaligen Vorfahrers dazu gesichert. Zwar fährt Renault in der Königsklasse des Motorsports von Erfolg zu Erfolg. Doch bei der Serienproduktion hapert es. Die Bilanzen des Europa-Geschäfts rauschen vehement nach unten, auf den Wachstumsmärkten in Südostasien und Südamerika ist die Marke nicht präsent genug, um die Baisse aufzufangen. Der vierfache Formel-1-Champion Prost soll jetzt dafür sorgen, dass sich die Erfolge aus der Formel 1 auch positiv auf die Absatzzahlen der Serienmodelle auswirken.
Dem Hoffnungsträger ist bewusst, wo der sprichwörtliche Hase im Pfeffer liegt: Die wenigsten Leute wissen, dass Red Bull die vergangenen drei Weltmeisterschaften mit Renault-Aggregaten gewonnen hat. Vor genau 20 Jahren fuhr der Mann, in dessen Adern französisches und armenisches Blut fließt, im Williams-Renault seinen letzten WM-Titel ein. Die Verbindung zur damaligen Regie Renault hat er nie verloren. Die Leute müssen wissen, dass Renault ein Teil dieser Erfolge ist und warum man daran beteiligt ist.
Im Prinzip holt die Vergangenheit den französischen Autobauer wieder ein. Schon vor 20 Jahren galt Prosts Williams-Bolide dank dessen aktiver Radaufhängung als Wunderauto. Dass das Fahrzeug aber von der Power eines Renault-Motors profitierte, war bereits in den frühen 1990er Jahren kaum ein Thema. Das gleiche Phänomen sieht der Professor auch heute: Ich weiß nicht, warum es so ist. Vielleicht liegt es an der Bescheidenheit. Die technische Leistung war damals und ist heute perfekt. Wir verdienen eine bessere Publicity.
Der 51-fache Grand-Prix-Sieger will die anstehende Reglement-Änderung bei den Motoren im Sinne seines Arbeitgebers nutzen. Im kommenden Jahr werden die V8-Saugermotoren mit 2,4 Litern Hubraum durch down-gesizte, verbrauchsärmere V6-Turboaggregate mit 1,6 Litern Hubraum ersetzt. Ein Konzept, für das Renault seit Jahren vehement eintritt. Entsprechende Aggregate laufen längst auf den Haus-eigenen Prüfständen. Diese Kraftpakete sollen der Formel 1 zu einem Öko-Image verhelfen. Mit diesen Motoren wird der Anteil von Renault am Erfolg von Red Bull deutlicher werden. Wir müssen das nur ins rechte Licht rücken, lautet das Konzept von Prost. Es gehe ihm dabei, sagt der 58-Jährige, nicht nur um den Motorsport, oder um Renault, sondern um das große Ganze. Und Visionen und andere Dimensionen.
In die strategischen Abläufe will er sich nicht einmischen. Bei fünf oder sechs Rennen werde er vor Ort sein, um als Botschafter und Berater für den taktischen Bereich der Marke mit der Raute tätig zu sein. Seine neue Rolle sei ihm auch Herzensangelegenheit: Ich habe das Gefühl, dass ich das machen muss. Man muss den Leuten ein paar Dinge erklären. Es geht mir auch um den pädagogischen Aspekt. Kein Wunder – schließlich ist er le professeur.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Renault