Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Ob Sie nun ein Befürworter des närrischen Treiben oder vor der verordneten Fröhlichkeit geflohen sind: Jetzt ist wieder Fastenzeit. Ein bisschen ist das auch so wie mit den Vorsätzen, die man zu Beginn eines neuen Jahres fasst. Denn fasten, das hat etwas mit Verzicht auf Dinge zu tun, die während der übrigen 46 Kalender-Wochen gewisse Wohltaten und Annehmlichkeiten versprechen. Verzicht auf Nikotin, auf Alkohol, auf Süßigkeiten. Eben auf Dinge, die das Leben für viele Menschen lebenswerter und genussreicher machen.

Als wenn es damit nicht genug der Kasteiung wäre, sehen sich jetzt einige Gralshüter des reinen Gewissens dazu aufgerufen, ein sechswöchiges Auto-Fasten zu propagieren.

Als Mensch, der tagein, tagaus von Berufs wegen mit dem Automobil zu tun hat, wäre das ja mal eine Herausforderung. Aber so ganz ohne Auto geht es in meinem Falle nun mal nicht. Denn die Auto-Industrie wird auch in der Fastenzeit neue Produkte vorstellen und die muss unsereiner nun einmal fahren, um sich darüber ein fachliches Urteil erlauben zu können.

Aber weniger wäre vielleicht doch nicht schlecht. Nun beschränke ich mich bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben wie Einkaufen, Behördengänge, Arztbesuche, etc. ohnehin darauf, nur in Ausnahmefällen (m)ein Fahrzeug zu benutzen. In einer Kleinstadt von der Größe meines Wohnortes sind die Wege fußläufig. Und in den wärmeren Jahreszeiten pflege ich auch einen innigen Kontakt mit meinem Drahtesel. Autofasten wäre für mich persönlich also kein Thema. Denn erstens fahre ich viel und gerne Auto fahre, wenn die Situation es erfordert oder sie einen besonderen Anreiz in Form eines besonderen Fahrzeugs bietet. Genauso gerne lasse ich Testwagen oder Privatauto aber auch stehen, wenn mir der Sinn nach persönlicher Mobilität steht, die ich unter Zuhilfenahme eigener Muskelkraft bewerkstelligen muss. Das Auto als Notwendgkeit (nicht nur Annehmlichkeit) in unserer Zeit ist damit unstrittig.

Auf der Homepage meines Heimatbistums (ja, die haben so was, so modern sind die inzwischen) habe ich in dieser Woche zum Thema Autofasten doch tatsächlich einen besonderen Anreiz gefunden, um den (nach)denkenden Menschen zu bewegen, sich einmal für einen Zeitraum von sechs Wochen mit seiner persönlichen Mobilität auseinander zu setzen. Wer sich bis Ende dieser Woche dort zum Autofasten angemeldet hatte, der konnte unter anderem Freifahrtscheine von kommunalen Verkehrsunternehmen gewinnen. Außerdem wurden Sachpreise wie verbilligte Bahncards, Zeitfahrkarten, ja sogar Handy-Guthaben und sogar zwei Fahrräder unter den Teilnehmern verlost.

Respekt! Aber: Sind Gewinnspiele als Lockmittel in diesem Falle eigentlich lobenswert, habe ich mich gefragt. Warum reicht es einfach nicht aus, den Teilnehmern einer solchen Aktion argumentativ zu begegnen. Ist der Auto fahrende Mensch wirklich nicht willens und in der Lage, aus rein rationalen Gesichtspunkten heraus Alternativen zum Auto fahren zu überprüfen und ein zu setzen? Muss man uns wirklich wie dem Haus- und Hofhund ein Stück Leberwurst, eine Belohnung, vor die Nase halten, damit wir auch zu schnappen.

Der Sinn des Autofastens kann es meines Erachtens nicht sein, wie an der Schießbude bei der Kirmes einen Preis zu gewinnen. Für mich ist das ein Widerspruch in sich. Wenn schon der weitest gehende, zeitlich begrenzte, Verzicht auf das Automobil, dann aus der Erkenntnis heraus, sich mit Themen wie Ökologie, Umwelt, Wirtschaftlichkeit, persönlicher Fitness und auch einem Stück neuem Körpergefühl auseinander zu setzen. Wer wirklich Auto fastet, und dabei vielleicht auch zu der Erkenntnis kommt, das Fahrzeug nicht nur zwischen Fastnachtsdienstag und Ostersonntag ganz bewusst weniger ein zu setzen, der hat meines Erachtens mehr gewonnen als einen Freifahrtschein mit dem nächsten Bus-Unternehmen oder zehn Euro auf dem Prepaid-Handy. Zum Beispiel: Die individuelle Mobilität mehr zu schätzen als sonst im normalen Alltag, wo man auf diese Mobilität selbstverständlich zurückgreift, den Autoschlüssel nimmt und ins (eigene) Auto springt. Was beim medizinischen (Heil)-Fasten übrigens immer ein wichtiger Aspekt ist: Die Genüsse (zum Beispiel die eingangs genannten) und Selbstverständlichkeiten des Alltags wieder dadurch mehr zu schätzen, dass man in der Fastenzeit konsequent auf sie verzichtete.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende, wie auch immer Sie die in dieser Zeit anstehenden Wege bewältigen.

Ihr Jürgen C. Braun

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