Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Unter dem Diktat der Quotenfrage müssen sich offenbar nicht nur öffentlich-rechtliche und private Fernsehanstalten so ihre Gedanken, und mitunter auch wahre Kopfstände machen, um ein möglichst großes Publikum an sich zu binden. Mitunter hat es auch den Anschein, als ginge die Knute der offensivsten und skurrilsten Nachrichten-Präsentation auch an unseren meist gehörten Rundfunk-Sendeanstalten nicht vorbei. Vor allem die Zeit kurz nach der Jahreswende nutzen offenbar viele Programmgestalter, um ihre Hörer mit möglichst ungewöhnlichen Neuigkeiten und Gedankenspielen an sich zu binden.So beschäftigte sich einen Tag nach dem Neujahrstag ein als seriös geltender deutscher Sender in seinem Vormittagsprogramm mit der (hypothetischen) Frage, ob sich ein Fußgänger strafbar mache, wenn er in einer 30er Zone geblitzt werde. Voraussetzung sei natürlich, er erreicht per pedes diese weltrekord-verdächtige Schrittfrequenz nicht nur, sondern durchbricht auch noch den Toleranzbereich. Da wurden „Experten“ von Polizei, Kommunalverwaltung, Kraftfahrtbundesamt ebenso wie Sportwissenschaftlicher über sage und schreibe zwei Stunden mit allen möglichen Auswirkungen einer Frage traktiert, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie zum Diskussions-Gegenstand werden wird.

So wurde der „Peak“, also die maximale Höchstgeschwindigkeit, von Sprinterkönig Usain Bolt von Leichtathletik-Insidern seziert, oder die die Frage gestellt, ob der „Übeltäter“ mangels Kennzeichnung überhaupt identifiziert und damit strafrechtlich belangt werden könnte. Sich einen solchen Unfug nicht nur aus zu denken, sondern ihn auch noch über zwei Stunden zum Gegenstand investigativen Journalismus verkommen zu lassen, war sicherlich eine programmgestalterische Glanzleistung. Vielleicht war selbige ja das Ergebnis der Spätfolgen einer ziemlich alkohol-getränkten Silvesternacht gewesen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Themen rund um die persönliche Mobilität in den Rundfunk-Foren in den kommenden 360 Tagen des neuen Jahres mit größerer Nachhaltigkeit diskutiert werden, als dies bei dem Äther-Nonsens am zweiten Tag des Jahres der Fall war. Brennpunkte, die der weiterführenden Betrachtung und journalistischer Aufbereitung bedürfen, gibt es jedenfalls genügend. Als sei dieser Lärm um Nichts eine Initialzündung gewesen, las ich einen Tag später in der Online-Ausgabe der „Welt“ folgende Meldung: In Kassel ist in dieser Woche ein BMW-Fahrer mit hoher Geschwindigkeit in einer 30er-Zone mit seinem Auto von der Fahrbahn abgekommen. Er flog durch die Luft, halbierte mit seinem Fahrzeug ein Straßenschild und landete dann auf ein paar parkenden Autos. Eine Punktlandung könnte man sagen, und der fliegerischen Glanzleistung des „Autopiloten“ damit Respekt zollen.

Vielleicht könnte man das Meinungsspektrum um den „Tatort 30er Zone“ ja dahingehend abrunden, und die strafrechtliche Relevanz eines Tretroller-Fahrers oder eines Rollator-Benutzers für den nämlichen Falle der Raserei unter die Lupe zu nehmen. Heilige Einfalt, Du machst offenbar auch im neuen Jahr nicht vor uns Halt.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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