Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Jeden Tag eine neue – und leider nicht selten eine schlechte – Botschaft aus der Automobil-Industrie, und immer nach der Salami-Taktik, Scheibchen für Scheibchen: Die vergangenen Wochen waren jedenfalls keine Zeitabschnitte, die zu großen Jubel-Arien im Metier der Autobauer hätte Anlass geben können.

Mitte der Woche verkündete der Ford die Schließung des belgischen Werks in Genk und umschrieb diese für die Betroffenen soziale Katastrophe im diplomatischen Wirtschaftsjargon mit einer „Restrukturierungsphase“ in Europa. Europa, das ist der „Stein des Anstoßes“ momentan, denn während in Schwellenländern wie China, Brasilien oder auch in Russland das Auto immer mehr Teil des öffentlichen Lebens wird und sich viele junge Leute das erste Auto ihres Lebens kaufen können, kämpft Europa gegen die wirtschaftliche Krise und um die Rettung seiner Währung. Und es ist so banal wie wahr – wer wirtschaftlich schlecht dasteht, kauft sich kein neues Auto. Und so wachsen die Halden, machen die Menschen an den Bändern zwangsläufig Pause und die Händler fürchten – mit Recht – um ihre Absätze und die Zukunft.

Ford ist beileibe kein Einzelfall: Der französische PSA-Konzern bekommt Staatshilfen, Opel streicht Stellen, baut Autos gemeinsam mit den Franzosen auf einer Plattform, die Menschen in Bochum fürchten um den Fortbestand des dortigen Opel-Werkes und Daimler-Chef Zetsche verkündet, dass sein Unternehmen die gesteckten Ziele für 2012 nicht erreichen könne. Wobei die Schwaben wohlgemerkt noch einen neuen Absatzrekord einfahren dürften, nur weniger opulent als erwartet. Noch vor fünf Jahren brannte die Auto-Industrie auf dem Kontinent ein Verkaufs-Feuerwerk ab. Allein: Die Hersteller verkaufen seitdem von Jahr zu Jahr weniger Produkte, vor allem im mittleren Preissegement. Obwohl die Produkte immer ausgereifter, sauberer, verbrauchsärmer und alltagstauglicher werden.

Im nächsten Jahr werden nach einer aktuellen Studie in Europa wohl so wenig Autos verkauft werden wie seit 20 Jahren nicht mehr. Ein Ford-Sprecher räumte zur Wochenmitte ein, dass der Verkauf der eigenen Produkte auf dem Kontinent von 20 Millionen auf 14 Millionen per anno gesunken sei. Das ist ein Drittel der gesamten Produktion. Ist das jetzt die eigentlich zwangsläufig ankommende Retourkutsche für die hektischen Aktivitäten der Politik im Jahr 2009? Für die Abwrackprämien, die Kredite für Autohersteller ein Jahr nach der globalen Bankenkrise, die zwar zu Rekordverkäufen innerhalb kürzester Zeit führten, aber auch eine Übersättigung des Marktes auf Jahre hinaus inszenierten? Die deutschen Hersteller bereinigen ihre Bilanzen schon seit Jahren in Übersee. Auf der derzeit stattfinden Sao Paulo Motor Show stellen sich Volkswagen und BMW mit neuen Showcars, Modellen und wirtschaftlicher Stringenz mit neuen Werken auf die Gegebenheiten des südamerikanischen Marktes ein. Doch der Preiskampf gegen Hyundai, Kia und Co. auf den traditionellen Märkten lässt die Absatzzahlen „vor der Haustür“ sinken. Die automobile Revolution in Europa entlässt derzeit gewissermaßen ihre Kinder – wobei diese Kinder größtenteils an den Bändern stehen und den Kinderschuhen längst entwachsen sind.

Trotz dieser wenig optimistisch stimmmenden Nachrichten und Überlegungen wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr

Jürgen C. Braun

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