Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
Nur noch ein paar Tage, dann haben wir November, die Feiertage nennen sich dann Allerheiligen und Allerseelen (jedenfalls in meiner Heimatgegend) und in solchen Bezeichnungen steckt schon eine ganze Menge mehr an winterlicher Vorahnung als an sommerlicher Vergnügungssucht mit einem offenen Fahrzeug. Demzufolge haben sicherlich die meisten von Ihnen nicht nur schon einmal geschaut, ob denn die Wintergeraderobe vom vergangenen Jahr noch passt und zeitgemäß ist, sondern sich auch schon einmal nach den „Füßen“ ihres fahrbaren Untersatzes für die kalte Jahreszeit umgesehen. Wenn Sie nicht sogar schon auf Winterreifen umgerüstet haben.
Doch selbst die besonnensten und vorausschauenden Autofahrer tun sich schwer damit, den Begriff des ab 1. November gültigen „EU-Reifenlabels“ richtig deuten zu können. Der weitaus größere Teil von uns, die wir mal mehr mal weniger mit unserem Auto unterwegs sind, hat bis vor ein paar Wochen noch nicht einmal etwas von dessen Existenz gewusst, hat jetzt ein Meinungsforschungs-Unternehmen im Auftrag ermittelt. Gut; Fernseher, Waschmaschine, Kühlschränke; für so etwas haben die hohen Herren in Brüssel derlei Zertifizierung heraus gegeben und manch ein Konsument orientiert sich auch dran.
Nun aber soll der Endverbraucher auf einmal erkennen können, wie viel Kraftstoff so ein Reifen verschlingt, wie viel Lärm er macht und wie lang (oder kurz) sein Bremsweg ist. Schön bunt ist dieser papierne Streifen, viele Buchstaben (von A bis G) weist er auf und outet sich ansonsten als ein gut gehütetes Geheimnis seiner selbst. Oder wissen Sie – Hand aufs Herz! – was die gut gemeinten Abkürzungen jetzt eigentlich über die Qualität des runden Etwas aussagen. In puncto Winterreifen meine ich selbstverständlich. Was haben sich die Damen und Herren im Allerheiligsten der EU-Reformitis im Dunstkreis des Männeken Pis nicht schon alles ausgedacht an Verordnungen, Verhütungen, Verhinderungen, Auszeichnungen und ähnlichen bürokratischen Mühlsteinen, die tonnenschwer auf uns lasten. Angefangen von der Gurkenkrümmungs-Verordnung schließt sich jetzt der Kreis beim verzweifelten Versuch, kurz vor dem ersten Schneefall etwas über die Qualität neuer (Winter)reifen aus zu sagen, ohne dabei auch nur ein wenig ins Detail gehen zu müssen.Drei Indikatoren haben die Gralshüter der EU-Aufkleber bemüht, um anzuzeigen, wie gut oder schlecht ein Reifen abschneidet. In Sachen Geräuschen, Rollwiderstand und Verbrauch wurde ermittelt. Und ansonsten? Traktion, Grip, Nässe-Eigenschaften, Schnee-Eigenschaften, Seitenführung, Haltbarkeit, und so weiter, und so fort? Nix, keine Angaben. Diese für die Qualität eines Winterreifens ausschlaggebenden Kriterien finden wir Autofahrer, liebe Leserinnen und Leser, lediglich in den profunden Tests von ADAC, Fachzeitschriften oder kompetenten Prüforganisationen. Und nur das sollte der Gradmesser unseres Urteils sein. Finde ich jedenfalls.Also: Lieber zum Reifenhändler meines Vertrauens statt mir ein buntes Bapperl einer Organisation zu Herzen zu nehmen, die unzählige Ausschusssitzungen brauchte, um herauszufinden, wie krumm denn nun eine Gurke sein kann, damit sie sich auch wirklich Gurke nennen darf.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun