Jörg Nießen: Die Sauerei geht weiter.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag; 9,95 Euro.
Wir erinnern uns: Der alltägliche Wahnsinn im Rettungsdienst, vergnüglich niedergeschrieben, machte Jörg Nießen zum Bestsellerautor. Den Titel des Erstlings lieferte ihm, ohne es zu beabsichtigen, eine furios-empörte Dame. Die empfing die Rettungswilligen mit dem Hinweis, man könne nichts mehr tun, ihr Gemahl habe mit Erfolg seinem Leben ein Ende gesetzt, aber man möge sich doch bitte mal einen Eindruck von der hinterlassenen Sauerei verschaffen. Wäre sowas in Cartoon von Uli Stein, man könnte sich damit trösten, dass es Fiktion und Phantasie ist. Den Trost konnte Jörg Nießen weder sich noch anderen anbieten – es war die pure Realität.
Grund genug, dem Debüt einen zweiten Band folgen zu lassen. Genug Material dafür gibt es allemal. So begegnen wir einem noch recht jungen Mann, der – seiner Religion gemäß – das Fasten brach und dabei alle Symptome des Sich-Überfr … pardon, Überessens entwickelte. Nun hatte der Mann sich zwar ordentlich vollgestopft und die kulinarischen Entbehrungen der jüngsten Vergangenheit kompensiert, die Ursache für seine Beschwerden war aber ein Hörsturz, dessen Symptome einem nicht vertragenen Gelage fast deckungsgleich sind.
Bewundern darf man Herrn Gomez: Für den Mittsiebziger wäre die Bezeichnung rüstig eine unhöfliche Untertreibung. Herr Gomez unterhielt als Bewohner einer Seniorenresidenz eine Liebesbeziehung zu einer anderen Bewohnerin – keineswegs rein platonisch. Die Rettungssanitäter hatten keine erfreuliche Nachricht: Ursache seiner Beschwerden war ein Herzinfarkt, sofortiger Transport mittels Krankenwagen ins Krankenhaus unvermeidlich. Herr Gomez nahm's sportlich und wollte einfach nur schnellstmöglich wieder fit sein.
Zwei von zwanzig Erlebnissen, die zeigen, welch starkes Nervenkostüm in dem Beruf gefragt ist. Jörg Nießen ist nichts Menschliches fremd, und bei allem, was er erlebt, bewahrt er sich Sympathie und Empathie für seine Mitmenschen. Übrigens: Auch die lieben Kollegen haben so ihre Tücken und Macken …
Es wird viel geschrieben und geklagt über die Dienstleistungswüste Deutschland, oft genug sicher zu Recht. Oft genug mögen aber auch diejenigen, die ihre Dienstleistung am Menschen mit Sorgfalt, Freude, Konzentration und unter schwierigen Bedingungen anbieten, nicht zu beneiden sein.