Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
DDR und Automobil – da denkt man sicher in erster Linie an den Trabant, im Allgemeinen als mehr oder weniger lieb gewordener „Trabi“ in die Geschichte eingegangen. Wer sich ein wenig mehr mit der Geschichte des Automobilbaus im ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaat auskannte, dem wird mit Sicherheit noch der „Wartburg“ als die sozialistische Premium-Variante der Fortbewegung mittels Verbrennungsmotor bekannt sein. Und wer sich als Experte verstand, dem waren IFA-Nutzfahrzeuge oder Famulus-Traktoren, die auf den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) ihre Dienste versahen, natürlich ein Begriff. Das war’s dann aber auch schon mit den Kolben-und-Kerzen-Herrlichkeiten hinter dem Eisernen Vorhang.Um so mehr stimmte mich eine Meldung aus dieser Woche traurig, mit der wohl nur eingefleischte Automobil-Freunde etwas anzufangen wissen. Die Sportwagen-Manufaktur Melkus hat Insolvenz angemeldet. Melkus? Großes Fragezeichen. Bestimmt, aber auch ein ebenso großes Ausrufezeichen. Denn Melkus stand für die Produktion von Sportwagen im sozialistischen Wettbewerb. Lediglich ein einziges Sportwagenmodell schaffte es in der DDR jemals in die Serienwagen-Produktion. Der RS 1000, produziert von dem ehemaligen Rennfahrer Heinz Melkus.
Der RS 1000 (das Kürzel RS stand für Rennsportwagen) war ein zweisitziger Flügeltürer, von dem zwischen 1969 und 1980 insgesamt 101 Exemplare gebaut wurden. Das Fahrzeug basierte technisch auf einem Wartburg 353 und brachte es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 165 km/h. Als DDR-Ferrari machte sich der Flitzer seinerzeit einen Namen. Heinz Melkus‘ Enkel Sepp wollte mit dem „RS 2000“ sowohl das Fahrzeug als auch seinen Großvater beerben. Doch der Traum zerplatzte. Leider, werden einige geschichtsbewusste Auto-Liebhaber sagen. Dieser Tage hat das 2006 gegründete Unternehmen „Melkus Sportwagen“ Insolvenzantrag beim Amtsgericht Dresden gestellt.
Den Prototyp des RS 2000 hatte Melkus Junior auf der IAA 2009 in Frankfurt/ Main vorgestellt. Das 270 PS starke Nachfolge-Fahrzeug kostete damals etwa 115.000 Euro, hatte bei Interessenten, die mit der Herkunft des Namens und dessen Historie kaum etwas anzufangen wussten, aber kaum eine Chance gegen die Platzhirsche dieses Kalibers. Die Produktion sollte in einer Kleinserie von 25 Exemplaren pro Jahr anlaufen. Doch die Vermarktung der Stückzahlen scheiterte. Der Name Melkus war nicht mehr Zugpferd genug, um ein ganz besonders seltenes Stück von Automobil-Geschichte eines nieder gegangenen Staates wieder aufleben lassen.
Und so teilt der Melkus RS 200 das Schicksal der sozialistischen Planwirtschaft, aber leider auch das eines Mannes, der sich mit Pionier-Geist und mit persönlichem Einsatz gegen die Vereinheitlichung auf den Kopfsteinpflastern zwischen Neubrandenburg und dem Erzgebirge gewehrt hatte.
Ein wenig wehmütig wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun