CD-Tipp der Woche

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Kai Degenhardt: Näher als sie scheinen. (Plattenbau)

Der Name des CD-Labels ist als Begriff nicht unbedingt positiv besetzt. Genau deshalb lässt er aufhorchen. Kai Degenhardt versteht sich als Liedermacher im ganz klassischen Sinne. Man könnte nun auf die Idee kommen, es mit einem Ewiggestrigen zu tun zu haben.

Weit gefehlt. Der 1964 geborene Sohn des 2011 verstorbenen Franz-Josef Degenhardt hat schon früher eigene CDs veröffentlicht und 20 Jahre mit dem Vater zusammen gearbeitet. Ein politisches Liedermacher-Album nennt er seine fünfte CD, um das musikalisch dann doch zu relativieren: Allerdings nicht in dem Sinne, dass ich zur Klampfe singend tagespolitische Themen erörtere. Musikalisch basieren weite Teile des Albums auf Geräusch-Samples – vom Mülltonnendeckel über Katzen-Gemieze zum Schlagschrauber. Ich bin tatsächlich in den letzten zwei Jahren meiner Umwelt häufig dadurch auffällig geworden, dass ich mit einem mp3-Recorder durch die Gegend lief und alle möglichen Alltagsgeräusche aufge-nommen habe. Ausschließlich aus solchen Schnipseln habe ich dann am Rechner die Beats für die Stücke des neuen Albums gebastelt. Der entstehende Verfremdungseffekt ist natürlich Sinn der Angelegenheit. Aber keine Sorge, auch klassische Musikinstrumente werden noch gespielt, und zwar Gitarre, Bass, Klavier, Melodica und Laptop.

Gründe für eine im textlichen Sinne klassische Liedermacher-CD gibt es genug, zumal man beim Lesen von Schlagzeilen oft genug den Eindruck hat, die Welt sei sowieso nicht mehr zu retten. Kai Degenhardt erlaubt sich einen differenzierteren Blick: Mit dem Platzen der Immobilien-, Finanz- und anderer Blasen sind manche davon heftig abgestürzt und auch aufgeprallt – da ist keine Häme zu erkennen, zum Glück. Und bei einer klassischen Ballade über einen Karriereaufstieg, dem alsbald der Abstieg folgt, ja, da erkennt man dann doch – im guten Sinne – die Verwandtschaft zum Vater. Als Einflüsse nennt Kai Degenhardt neben dem Elternhaus die musikalischen Genres, mit denen er aufwuchs, darunter Folk, Rock, Punk, Wave, Reggae. Das erlaubt ihm immer eine Erweiterung des klassischen Liedermacher-Genres, von dem es – warum auch immer – heute nicht mehr allzu viele Verteter gibt.

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