CD-Tipp der Woche

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Roman Lob: Changes. (Universal)

Wo Erfolg ist, ist der Neid nicht weit. Das hat Roman Lob erfahren dürfen, kaum dass er sein Ticket nach Baku in der Tasche hatte. Seinem Dackelblick, seiner Tätowierung und angeblicher Schwiegermutterliebling-Ausstrahlung widmeten nicht wenige Kritiker vergiftete Komplimente, um seinem (nationalen) Siegersong wie auch dem Debüt-Album gepflegte Langeweile zu bescheinigen.

Changes entpuppt sich aber als handwerklich solide CD, die ohne Mätzchen auskommt. Die Titel sind abwechslungsreich, frei von Effekthascherei und eher sparsam als bombastisch arrangiert. Da kommen Erinnerungen auf an Max Mutzke, der vor einigen Jahren bei einem Vorentscheid antrat, auf einem Hocker Platz nahm, den Vorentscheid haushoch für sich entschied und international auf einem achten Rang landete. An Alexander Rybak, der nicht ewig lang abends für Interviews zur Verfügung stand, sondern lieber ausgeschlafen sein und gleich mehrfach fürs Finale proben wollte. Manche nannten ihn, ja, richtig, einen Langweiler und Schwiegermutterliebling. Und an Lena, die von Kritikern schon mal mit einem Sparkassenazubi verglichen wurde. Der weitere Verlauf ist bekannt.

Wer also solide produzierte Songs mit Gesang, der den Namen verdient, langweilig findet, erinnere sich bitte an Eurovisionsbeiträge, bei denen spärlich vorhandene Substanz durch allerlei Gimmicks aufgewertet werden sollte. Zum Beispiel Dita von Teese als Einlage, mit medialem Getöse extra eingeflogen (vermutlich nicht zu einem Discount-Honorar). Oder Corinna May, die mit eigenwilliger Stimme ein Lied ohne Melodie vorzutragen hatte und umtanzt wurde von einer Begleitgruppe, deren Mitglieder durchweg einen hyperaktiven Eindruck hinterließen. Zu Jurypunkten hat dergleichen nicht geführt.

Stattdessen waren es immer wieder Songs, die ins Ohr gingen, dort blieben und Punkte einfuhren. Solche Qualitäten hat auch Standing still, das seine Ohrwurmqualitäten freilich erst gegen Ende völlig offenbart. Zu einer Platzierung im oberen Drittel und höher kann das allemal führen. Wobei Prognosen beim Eurovision Song Contest immer mit Vorsicht zu genießen sind.

Übrigens: Wenn es mit der großen Gesangskarriere nicht klappt – so what. Roman Lob hat einen bürgerlichen Beruf, Lena studiert mittlerweile in Köln, auch Max Mutzke und Alexander Rybak haben sich mit ihrem Eurovisionssieg nie abhängig gemacht davon, dass der große Durchbruch kommen müsse. Da reiht sich der 21-jährige Roman Lob in eine sympathische Riege ein. Zu zeigen, dass man auch ohne Erfolg bei einer Casting-Show ein gutes Leben haben kann, ist in Zeiten der Diktatur von breaking news doch die eigentlich schlagende Neuigkeit mit Informationswert.

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