Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Wenn Hersteller von Automobilen bei der Fachjournaille auf die Vorzüge ihrer Produkte aufmerksam machen wollen, dann tun sie das meist in irgendwelchen verschwurbelten Pressemitteilungen, aus denen man erst einmal das „nackte“ Deutsch heraus filtern muss, um zu sehen, was der Adressat denn nun erzählen will. Vor lauter Lobhudeleien über das eigene Erzeugnis fehlt es nämlich in der Regel an der Fähigkeit, einfachste Zusammenhänge so dar zu stellen, dass auch der normale Konsument erkennt, worum es geht. Seit vielen Jahren kommen Autobauer nicht mehr daran vorbei, die Nachhaltigkeit ihrer Erzeugnisse, deren geringen Spritverbrauch und den stetig schwindenden Ausstoß von Schadstoffen zu kommunizieren.

So schön, so gut. Aber es geht auch anders. In der Autoszene gibt es einen Hersteller, dessen Endprodukte nur ein einziges Label vertragen: brutal. Brutal leicht, brutal stark, brutal laut und – vielleicht – auch brutal überflüssig. Aber gönnen wir uns doch zu Beginn des Jahres mal einen Ausflug in die Welt der mobilen Absurditäten und Absonderlichkeiten ehe uns sinkende Verbrauchswerte und ökologische Glücksmomente beim Betätigen des Gaspedals wieder einholen. Es geht um nichts anderes als um eine PR-Nachricht des Hauses Donkervoort, die zu Beginn des neuen Jahres in der Mail-Post war. Genauer gesagt geht es um den neuen Donkervoort D8 GTO.

Im Jahre 1978 gründete ein gewisser Joop Donkervoort sein Unternehmen, das dem Bau möglichst brachialer Ungetüme gewidmet war. In einer Zeit, in der die Endlichkeit der Ressourcen von Mutter Erde auch in unserer Branche kaum ein Thema war, hatte der holländische Unternehmer freie Fahrt bei der Produktion seiner Kampfmaschinen auf vier Rädern. Denn nichts anderes waren Erzeugnisse aus dem Hause Donkervoort. Sie zeichneten sich durch Purismus in jeder Form aus. Pure Kraft, extrem leichte Zweisitzer, Komfort ein Fremdwort. Donkervoort rechnete nicht nach Absatzzahlen. Ein so genanntes Volumenmodell gab es mitnichten.

Zweimal hielten Donkervoort-Modelle den Rundenrekord auf der Nordschleife des Nürburgrings für Straßen-zugelassene Fahrzeuge. Zuletzt gelang dies im Jahr 2005 einem deutschen Importeur, der seinen Streitwagen der Moderne à la Ben Hur in 7:14,89 Minuten durch die 22,8 Kilometer lange Grüne Hölle jagte. Eine Marke, an der sich die Formel-1-Fahrzeuge, die dort noch vor Niki Laudas Feuerunfall 1976 herum jagten, die Felgen abgebissen hätten.

Jetzt, im Jahr 2012, bietet das Haus zum ersten Mal einen Donkervoort mit einem elektronischen „Heinzelmännchen“ an. Der D8 GTO verfügt über eine Traktionskontrolle. Für Puristen der Marke mag dies ein Sakrileg sein. Doch bei regennasser Fahrbahn (egal ob auf dem „Ring“ oder auf der Straße) wird der Pilot froh sein, die schiere Wucht der 340 PS in dem 700 Kilogramm leichten Gefährt unter Zuhilfenahme einer solchen Technik irgendwie auf den Asphalt bringen zu können. Tempo 100 soll, so denn alles passt, in drei Sekunden erreicht werden, die Höchstgeschwindigkeit gibt das Haus mit 255 km/h an.

Wir wollen hier nicht über Sinn und Unsinn, nicht über die eventuelle Existenz-Berechtigung eines solchen Brutalos spekulieren. Auch nicht darüber, ob „richtige Männer“ denn nun – pfui Deibel – eine Traktionskontrolle in einem Donkervoort beim Ausleben persönlicher Lustgefühle akzeptieren müssen. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, nun trotz oder gerade wegen der Traktionskontrolle mit dem Erwerb eines solchen Gefährtes liebäugeln sollten, sei Ihnen gesagt: Die ersten Exemplare des 2012er Donkervoort sollen im Sommer diesen Jahres ausgeliefert werden. Und sehen Sie dann bitte auch zu, dass sie etwa 150.000 Euro auf der Seite haben für Ihren neuen bissigen Kampfhund auf vier Rändern.

Bis dahin – und auch darüber hinaus – wünsche ich Ihnen ein erholsames Wochenende in einem alltagstauglichen Fahrzeug des Jahres 2012. Auch wenn es vermutlich nicht für einen neuen Rundenrekord auf der Nordschleife reichen sollte.

Ihr Jürgen C. Braun

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