Rallye-WM: VW schnappt sich Loeb-Kronprinz Sébastien Ogier

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Volkswagen macht ernst bei seinem Engagement in der Rallye-Weltmeisterschaft: Am Mittwoch haben die Wolfsburger, die 2013 mit einem Polo R WRC in die Weltmeisterschaft einsteigen werden, die Verpflichtung des Franzosen Sébastien Ogier bekanntgegeben. Der 27-Jährige bisherige Citroën-Pilot gewann in diesem Jahr die Deutschland-Rallye und beendete damit die Siegesserie des alten und neuen Champions Sébastien Loeb.

Es war abzusehen: Lange konnte das nicht gut gehen mit den beiden „Seb’s“, die nicht nur den gleichen Vornamen, nicht nur die gleiche Sportart, sondern auch noch den gleichen Arbeitgeber ihr eigen nannten. Wenn dann auch noch beiderseits ungebrochener Ehrgeiz für ein gemeinsames Ziel, das letztendlich nur einer von beiden erreichen kann, besteht, ist der Weg aufgezeigt: Es konnte nicht mehr miteinander gehen mit dem Duo Loeb und Ogier. Es konnte – und wird in Zukunft – nur noch gegeneinander gehen.

Deshalb unterschrieb der Junioren-Weltmeister von 2008 und WM-Dritte gemeinsam mit seinem Co-Piloten Julien Ingrassia bei den Wolfsburgern und wechselt mit sofortiger Wirkung zu VW Motorsport. Bereits am übernächsten Wochenende wird der „Kronprinz“ des mittlerweile achtfachen Rallye-Weltmeisters Loeb beim „Race of Champions“ in Düsseldorf seinen ersten Einsatz als VW-Werksfahrer absolvieren.

Beider Problem war die Tatsache, dass es im Rallyesport eine Hackordnung gibt. Und die orientiert sich nun einmal nicht an den Interessen der Fahrer in einem freien und fairen Spiel der Kräfte, sondern an denen der Teams und Hersteller. Bereits im August bei der Deutschland-Rallye hatte Citroën-Teamchef Olivier Quesnel unmissverständlich zu verstehen gegeben: „Wir müssen unter allen Umständen auf den Fahrer setzen, der die meisten Punkte in der WM hat.“ Und das war nun einmal der zehn Jahre ältere Loeb. Wenngleich der hitzköpfige Herausforderer aus dem südfranzösischen Gap die Hierarchie des Öfteren in Frage stellte.

Was beide Ausnahme-Könner am Volant zusätzlich miteinander verbindet, sind ihre sportlichen Erfolge außerhalb des Rallyesports. So wie Loeb einst zur Crème de la Crème der französischen Kunstturner gehörte, firmiert der Mann aus den Seealpen als ausgebildeter Skilehrer. Zudem war er französischer Meister in der im Nachbarland hoch angesehenen Sportart „Boule Lyonnaise“, die bei uns als Petanque bekannt ist.

Ogier ist Kämpfer von Kindesbeinen an. Eine charakterliche Eigenschaft, auf die man in Wolfsburg auch bei der Erprobung des neuen VW Polo R WRC setzen wird. Als Sohn eines Kohlenhändlers und einer Büro-Angestellten war der junge Ogier bei dem Vorhaben, in die Weltspitze zu fahren, finanziell nicht auf Rosen gebettet. Doch Quesnel setzte auf ihn, besorgte ihm Sponsorengelder und bestes Material.

Am siebenfachen Weltmeister Loeb aber durfte er noch nicht vorbei. Auch wenn er das Zeug dazu gehabt hätte, die Titelfrage bis zum Schluss offen zu gestalten. Wie schon im September bei der WM-Rallye in Australien, als Ogier mitten auf einer Prüfung am Streckenrand anhalten und den in der WM besser platzierten Loeb passieren lassen musste, erging es ihm auch im August rund um Trier. Auch dort wurde „Sébastien deux“ (Sébastien der Zweite) wie ihn die französische Presse nennt, von der Teamorder eingebremst. Als sich Loeb dann nach einem Reifenplatzer in Baumholder selbst um alle Chancen brachte, durfte Ogier attackieren. Und schließlich auch gewinnen. Was ihn letztendlich zu der Bemerkung veranlasste: „Es gibt doch noch eine Gerechtigkeit in diesem Sport.“

Und die sucht er nun auch bei VW.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Volkswagen Motorsport

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