Das – verständnisvolle und auf gegenseitiger Rücksichtnahme basierende – Miteinander im Straßenverkehr, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist oft genug leider genau das Gegenteil davon: Ein Gegeneinander nämlich. Da wird gedrängelt, gerast, und aufgefahren, dass man es als Vordermann mit der Angst zu tun bekommen könnte. Da wird aber leider auch allzu oft unter Umständen aktiv am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen, dass sich dem Betrachter die Nackenhaare stellen. Mit jede Menge Promille „intus“, oft unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss, oder manchmal auch nur todmüde und reif, um ins Bett zu fallen. Die Folgen sind immer wieder verheerend, obwohl die Zahl der Unfallopfer in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich kontinuierlich zurückgegangen ist.
Die Folgen sind uns allen klar: Ohne Regeln, ohne Verbote, ohne Sanktionen und Strafen geht nichts auf unseren Straßen. Die Einsicht in die Notwendigkeit angemessenen Verhaltens als Führer eines Kraftfahrzeugs: Das ist meist nur ein frommer Wunsch. Jedes Regelwerk aber ist nur so gut wie seine Umsetzung. Was nutzen alle Maßnahmen-Kataloge, alle Punkte, alle Sündenregister, wenn sich immer wieder über sie hinweg gesetzt wird. Weil oft genug das Personal oder das Geld fehlt, um sie zu überwachen, oder weil man immer wieder die Hilfe von „Kommissar Zufall“ in Anspruch nehmen muss, um bei der Strafverfolgung im Verkehrswesen erfolgreich zu sein. Grund genug für den Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR), auf einem zweitägigen Presseseminar mit namhaften Referenten unter dem Thema „Recht und Regelbefolgung“ ein wenig Licht in dieses Dunkel zu bringen.
Professor Dr. Dieter Müller von der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg an der Neiße sprach über Rechtsgrundlagen und Realitäten in der Verkehrsüberwachung von Polizei und Kommunen. Dass gerade dabei der Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Anerkennung und Abwertung dieser Arbeit besonders groß ist, wurde bald deutlich. Was etliche Verkehrsteilnehmer als Schikane oder auch immer wieder gerne als „Abzocke“ empfinden, hat eigentlich eine ganz andere Grundlage und einen anderen Denkansatz: Oberstes Ziel der Überwachung des Straßenverkehrs, so Müller, sei es, für ein Mehr an Verkehrssicherheit auf den Straßen zu sorgen. Dabei sei Verkehrssicherheitsarbeit keine „isolierte Aufgabe der polizeilichen und kommunalen Selbstverwaltung, sondern ein gesellschaftliches Thema, das eines breiten Verständnisses bedarf.“
Eine wunderbare Theorie, der sicherlich jedermann unaufgefordert zustimmen kann. Wenn es da nicht im Einzelfall immer wieder zu diskussionswürdigen Entscheidungen kommen würde. Fälle, in denen der Verdacht liegt, dass der kommunale Stadtkämmerer eigentlich nur darauf aus ist, das monetäre Ergebnis aus der Verkehrsüberwachung des Vorjahrs zumindest zu wiederholen. Wenn nicht sogar, es möglichst anzuheben.
Das Problem bei der Verkehrsüberwachung ist also auch nicht zuletzt deren gesellschaftliche Akzeptanz. Was eigentlich als Instrumentarium zum Allgemeinwohl installiert worden ist, wird in seinen Zielen und auch seinem praktischen Ansatz oft als pure Nötigung und als Griff in die private Schatulle Betroffener gesehen. Deshalb, so der promovierte Jurist Müller, müsse eine funktionierende Verkehrsüberwachung nicht nur systematisch geplant und mit gut ausgebildetem und motiviertem Personal umgesetzt werden. Sie müsse auch in ihrer Wirksamkeit kritisch untersucht, von den Menschen inhaltlich akzeptiert und letztendlich auch fair und transparent vollzogen werden.Damit das böse Wort von der Abzocke möglichst erst gar nicht aufkommen kann. Aber auch da ist wohl nur der Wunsch der Vater des Gedankens.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR)