Tradition: 75 Jahre Peugeot 402

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Sie sind die extravaganten Sonnenkönige für Schmetterlinge im Bauch und Lust auf sonnige Sommertouren: Wie kein anderes Karosseriekonzept verkörpern Cabriolets Lifestyle, Luxus und Lebenslust. Vor genau 75 Jahren kombinierte Peugeot diese Attribute erstmals mit der Eleganz und Exklusivität eines Coupés in avantgardistischer Stromlinienform. Der Peugeot 402 Eclipse wurde ein früher Trendsetter für die Idee des versenkbaren Metallhardtops und zum „dernier cri“ der Reichen und Schönen auf den Boulevards von Paris. Zum ersten erschwinglichen Coupé-Cabriolet für alle wurde allerdings erst der Peugeot 206 CC, der vor genau zehn Jahren in Großserie ging und mit rund 370.000 produzierten Einheiten in nur sechs Jahren das meistverkaufte Klappdach-Cabrio der Welt wurde. Geradezu elitär waren dagegen die dreistelligen Stückzahlen des 402 Eclipse, der nur auf Bestellung und gegen Anzahlung produziert wurde – und 1936 ähnlich viel kostete wie ein Bentley oder Cadillac.

Dafür konnte der 402 Eclipse neben dem auf Wunsch elektrisch versenkbaren Metalldach mit weiteren Ausstattungsdetails aufwarten, die ebenfalls der Zeit voraus waren. So waren die Räder an der Vorderachse unabhängig voneinander aufgehängt, und der 2,0-Liter-Vierzylinder war auf Wunsch mit einem Cotal-Getriebe bestellbar. Dieses elektrisch betätigte automatisierte Schaltgetriebe galt seinerzeit als modernste Form einer Automatik und genoss in Europa eine Alleinstellung. Weltweit einzigartig war die 1938/39 durchgeführte Erprobung eines 2,3-Liter-Dieselmotors in Limousinen, Transportern und Cabrio-Prototypen der 402-Reihe. Nur der Kriegsausbruch verhinderte den Serienstart des zwar sparsamen, aber rau und laut laufenden 402 Diesel. 66 Jahre später setzten die Franzosen dennoch einen Meilenstein bei den Selbszünder-Cabriolets. 2005 feierte der 80 kW/109 PS starke 206 CC HDi Weltpremiere als erstes Coupé-Cabriolet mit Dieselmotor. In jenem Jahr wurden weltweit erstmals mehr Coupé-Cabriolets produziert als Open-Air-Modelle mit Stoffdach – der 206 CC hatte besonders bei Kleinwagen- und Kompaktklassebaureihen eine Flutwelle neuer Frischluft-Typen vieler Volumenmarken ausgelöst. Vorübergehend war es schick, Blech statt Stoff zu öffnen, auch wenn die zusammengefalteten Blechdächer die Kofferraumgröße drastisch reduzierten und das ausladend voluminöse Heckdesign vieler Coupé-Cabrios kaum entzücken konnte.

Ein Problem, das sich dem Erfinder des Coupé-Cabriolets noch nicht stellte. George Paulin war ein Zahnarzt und Tüftler, der in seiner Freizeit seiner eigentlichen Passion nachging, dem Entwurf schöner Automobile und der Entwicklung neuer Techniken. So nutzte er ein Modell des Citroën Rosalie im Maßstab 1:10 zur Erfindung des faltbaren Stahldaches. Mikromotoren versenkten das Dach ins Gepäckabteil und ließen die Sonne ins Interieur scheinen. Schloss man das Dach, wurde das Cabriolet zum Coupé, die Sonne verschwand wie bei einer Sonnenfinsternis – der Name Eclipse war gefunden. Eine 1:1-Erprobung des ersten elektrischen Dachsystems nahm Georges Paulin an einem französischen Hotchkiss vor, und im Jahre 1931 ließ er sich das Konzept patentieren als „System Paulin“. Der erste Erfinder eines Coupé-Cabriolets war Paulin allerdings nicht. Diese Ehre gebührt dem US-Amerikaner George Ellerbeck, der auf Basis eines Hudson Coupés 1927 einen abnehmbaren Dachaufsatz entwickelte, den er sich ebenfalls patentieren ließ. Unter dem Namen Ellerbeck Convertible Coupé war der Prototyp auf verschiedenen Ausstellungen zu sehen, zu einer Serienfertigung kam es jedoch nicht. Die Handhabung der Dachkonstruktion war zu kompliziert und die Zeit noch nicht gekommen für ein Coupé-Cabriolet. So war es Georges Paulin, der die Stahldachcabriolets serienreif machte.

Auf einem Lancia-Chassis baute Paulin in Zusammenarbeit mit dem bekannten französischen Karossier Pourtout den ersten Prototypen mit elektrischem Dachmechanismus. Paulin und Pourtout wollten auf dem Pariser Salon 1933 Kundenbestellungen und Industrieaufträge akquirieren, wo der Lancia Eclipse feierlich enthüllt werden sollte. Dann jedoch fehlte es am Kapital, um das Fahrzeug rechtzeitig fertigzustellen. Paulin, der mittlerweile seinen Beruf als Zahnarzt aufgegeben hatte und von Pourtout als Designer beschäftigt wurde, erinnerte sich an frühere Gespräche mit dem Tuningspezialisten und damals größten Pariser Peugeot-Händler Emile Darl’Mat. Tatsächlich konnte Darl’Mat von den Marktchancen eines exklusiven Eclipse-Modells überzeugt werden. Darl’Mat übernahm die Finanzierung und stellte einen Peugeot 301 für den Umbau bereit, dies jedoch mit der Auflage, das Fahrzeug bereits auf der bevorstehenden Pariser Automobilausstellung auszustellen. Das scheinbar Unmögliche gelang: In weniger als zwei Wochen wurde aus dem biederen Peugeot 301 ein extravaganter 301 Eclipse, der auf dem Darl’Mat-Stand in den mondänen Messehallen unter dem Eiffelturm eine international beachtete Weltpremiere feierte. Fast ein leichtes war es nun für das Dreigespann Darl’Mat, Pourtout und Paulin, den Hersteller Peugeot von den Erfolgschancen einer Serienproduktion des Eclipse-Konzepts zu überzeugen. Damals wichtiges Argument: Mit dem spektakulären Eclipse hätte Peugeot einen potentiellen Gewinner der damals populären Concours d’Elégance im Portfolio, die beste Basis, um Oberklassekunden von Renault, Delehaye oder Delage abzuwerben.

Tatsächlich einigte sich Peugeot noch im selben Jahr mit Paulin und Pourtout über die Nutzung des Coupé-Cabriolet-Patents und den Bau von Eclipse-Versionen der Vierzylinder-Reihe 401 und des Sechszylinders 601 bei Pourtout. Offiziell wurde der Name Eclipse übrigens nie verwendet, in Preislisten und anderen Unterlagen firmierten die neuen Open-Air-Stars unter der nüchternen Bezeichnung „Cabriolet Métallique Décapotable“. Schon ein Jahr später feierten 401 und 601 Eclipse ihre Premiere auf dem Pariser Salon. Zuvor hatten Paulin und Peugeot den Erfinder George Ellerbeck in den USA kontaktiert, um die grundsätzlichen Unterschiede der Patente abzustimmen und anzuerkennen. Darl’Mat wurde wichtigster Vertriebspartner für die Vermarktung der offenen Peugeot und bestellte zwei erste Kleinserien von 80 Peugeot 401 Eclipse und 20 Peugeot 601 Eclipse. Wie erhofft sorgten die Cabriolets mit versenkbarem Dach für Schlagzeilen, vor allem der aerodynamisch gezeichnete 601 mit neuem 2,2-Liter-Reihen-Sechszylinder wurde zum Gesprächsthema der europäischen High Society. So war etwa der französische Literat Marcel Pagnol, Mitglied der Académie Francaise, begeisterter Fahrer eines 601 Eclipse mit Sonderkarosserie. Pagnols Enthusiasmus war sogar so groß, dass er sein Fahrzeug zum Leinwand-Star in seinem Spielfilm „Le Schpountz“ machte. Dennoch: Mit Aufpreisen von 30 bis 50 Prozent gegenüber einem konventionellen Cabriolet waren die Eclipse deutlich zu teuer, um zum Bestseller aufzusteigen. Peugeot entschloss sich deshalb, fortan nur noch gegen Anzahlung oder Vorkasse Eclipse-Bestellungen anzunehmen.

Neuen Schwung sollte die Sensation jener Stromlinie bewirken, die Peugeot 1935 mit dem Modell 402 einführte. Raketendesign aus Sochaux nannte der Volksmund das aufregend-futuristische Design des 2,0-Liter-Vierzylinders mit markanten Scheinwerfern, die hinter dem Kühlergrill verborgen waren. Neu waren auch technische Details wie versenkbare Türgriffe, Sicherheitszapfenschlösser, eine Zwölf-Volt-Anlage und das erwähnte optionale halbautomatische Getriebe. Die bis zu 5,30 Meter langen 402 Eclipse gab es ab 1936 gleich in einer Vielzahl an Ausführungen: mit manuell versenkbarem Hardtop, elektrisch versenkbarem Dach, zwei Radständen, einer oder zwei Sitzreihen und drei verschiedenen Vierzylinder-Motoren mit bis zu 46 kW/63 PS Leistung, die den großen Peugeot auf die damals beachtliche Höchstgeschwindigkeit von rund 130 km/h beschleunigte. Vielleicht lag es auch an dieser Ausstattungsvielfalt, dass immerhin fast 600 Bestellungen für den mit 34.000 Francs damals exorbitant teuren (entspricht etwa 150.000 Euro) Sonnenanbeter der gehobenen Mittelklasse eingingen.

Mit dem zweiten Weltkrieg kam es zu einer über 50 Jahre währenden Sonnenfinsternis für alle Eclipse-Modelle, die erst zu Ende ging, als der Mercedes-Benz SLK 1996 die Roadsterwelt durch ein elektrisch versenkbares Hardtop revolutionieren wollte. Allerdings gab es auch in den dazwischen liegenden Jahrzehnten Versuche, mit faltbaren Hardtops Aufsehen zu erregen. Der 1947 eingeführte amerikanische Kleinwagen „Playboy“ führte zwar zur Titelfindung des gleichnamigen Männermagazins, scheiterte aber am Markt. Letztlich gilt dies auch für den ab 1957 angebotenen Ford Fairlaine 500 Skyliner. Das Skyliner-Dach wurde über zehn Relais, elf Sensoren und sieben Elektromotoren erst einige Zentimeter angehoben und anschließend im Gepäckraum verstaut. Eine komplexe Technik, deren Anfälligkeit dieses Coupé-Cabrio-Abenteuer rasch beendete. Nur auf Kleinstserien kamen in den 1980er Jahren die Hersteller des Treser quattro Roadster und des bis zu 300.000 Mark teuren Buchmann Magic Top auf Basis des Mercedes-Benz 500 SEC.

Dagegen brachen die Coupé-Cabriolets mit dem Mercedes SLK und dem Peugeot 206 CC zu einem Siegeszug auf, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts sowohl die Stoffverdeck-Cabriolets als auch die klassischen Coupés zu verdrängen schien. Nicht erfüllt hat sich jedoch die Hoffnung, mit Coupé-Cabriolets neue Märkte zu erobern. Vor allem heiße, sonnige Länder verweigern sich weiterhin einem Open-Air-Trend. Ein Grund, weshalb erschwingliche Coupés derzeit ebenso eine Renaissance erleben wie Frischluftmodelle mit Textil-Verdeck. Sogar der Eclipse-Pionier Peugeot hat noch nicht entschieden, wie ein künftiges 208 Cabriolet aussehen wird.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Autodrom Archiv, Peugeot, SPS

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