HOREX: Der Name bleibt, das Produkt ist neu

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Zeitgenossen, die heute über 60 Jahresringe aufweisen und ein ausgeprägtes Faible für Klassik-Motorräder haben, entsinnen sich noch an die Bad Homburger Motorradfirma, die zwischen 1926 und den späten 60ern für damalige Verhältnisse hochmoderne und ausgesprochen schicke Krafträder baute (z. B. Modelle Regina und Imperator). Der König von Bad Homburg, so die Zusammensetzung des Namens, versorgte als mittelständisches heimisches Unternehmen die Freunde zeitgenössischen Zweiradbaus mit attraktiven Modellen, die viel Chrom aufwiesen. Und stark und zuverlässig waren. Vielleicht ist dieses Image dafür mit verantwortlich, dass die Marke heute wieder mit Leben gefüllt wird. Als in den frühen Sechzigerjahren dann die ersten Motorräder aus fernöstlicher Massenproduktion auch den europäischen Markt infiltrierten, ja sogar überschwemmten, war das sukzessive Ende vieler europäischer Klassiker eingeläutet. Nicht nur HOREX musste in der Folgezeit die Tore schließen, viel schlimmer traf es die inselbritische Bike-Industrie, wo Namen renommierter Firmen wie AJS, BSA, Matchless, Norton, Royal Enfield und Triumph, die auch den Motorsport mit beherrschten, zugrunde gingen. Triumph wurde vor gut zehn Jahren erfolgreich mit neuem Konzept wiederbelebt, Royal Enfield büßte das Royal ein und wurde seitdem im indischen Madras im alten Stil als Enfield weitergebaut und Norton fasst gerade wieder Fuß mit Retro- Klassikern.

Ganz anders sieht das neue HOREX-Konzept aus. Ein kleines, schlag- und finanzkräftiges Team hat sich gefunden und schwelgt nicht in Nostalgie, sondern hat eine neue HOREX entwickelt. Der einzige unabhängige Hersteller von Verbrennungsmotoren, die Firma Weber in Markdorf, nahe dem Bodensee, hat einen schmal bauenden 6-Zylinder-Triebling entwickelt, der im neuen Werk in Augsburg mit den übrigen Komponenten wie Rahmen und Fahrwerk verheiratet wird. Geschäftsführer Clemens Neese stellte sich ein versiertes Team aus Ingenieuren, Technikern und Designern zusammen, um seiner Vision einer neuen HOREX Gestalt zu verleihen. Das zeugt von Mut zum unternehmerischen Risiko, aber nicht von Leichtsinn. Computerberechnungen für die neue Kreation sind einhergegangen mit Praxistests auf Prüfständen und ersten erfolgreichen Fahrtests mit Prototypen. Optimierungen bei der Leistungsabgabe wurden ebenso Schritt für Schritt vorgenommen wie beim Handling. Was ist nun das Neue an der Neuen? 1,2 Liter Hubraum werden mittels eines mechanischen Radialkompressors zu einer Nennleistung von 204 PS geführt. Das verspricht ein gewaltiges Drehmoment, das dann auch mit 150 Newtonmetern reichlich und satt ausfällt. Erweckt der Startschalter das Aggregat zum Leben, tut sich akustisch Bemerkenswertes: Nicht der oft etwas plärrige Sound eines traditionellen Sechszylinders strapaziert die Ohren, sondern ein baritonaler, uriger Klang streichelt das Trommelfell, was sich aber bei zunehmender Drehzahl bis zum bärigen Knurren entwickelt. Bei 243 Kilo Lebendgewicht der VR 6 Roadster gerät das Fahrerlebnis zur ganz besonderen Übung der Leichtigkeit. Da stehen keine Plastikverkleidungen auch gewagteren Schräglagen im Wege, da steht ein Naked Bike in reinster Form: bullig und doch elegant. Das 6-Gang-Getriebe ist moderner Standard und die Bremsanlage zeigt sich vom Feinsten: Vorne zwei riesige Scheiben mit Brembo-Kolben, hinten genügt eine Scheibe, das Ganze ABS-geregelt. Die Kraft der 6 Zylinder wird mittels Riemen auf die Hinterhand transportiert, was Gewicht und Pflege spart und zugleich 4 bis 6-fache Lebenszeit erbringt. Die neuen Herren bei HOREX haben sich offensichtlich alles genau überlegt. Auch die Reifengrößen zählen dazu, schließlich muss Sicherheit in jeder Lage und bei (fast) jedem Wetter gewährleistet sein: Das Vorderrad wird mit einem Pneu der 120er Dimension geführt, an der Hinterhand übernimmt ein etwas fetterer 190er Gummi Antriebs- und Bremskräfte. Natürlich wurde intern auch die Gretchenfrage diskutiert: Braucht die Szene, braucht der Markt noch eine neue Marke? Die Antwort wird überzeugend geliefert. Die VR 6 Roadster ist sicherlich nicht das typische Einsteiger-Bike, aber dank seines homogenen, nahezu einzigartigen Konzepts eine Bereicherung im Markt. Dabei darf es als löblich bezeichnet werden, dass dieser Leistungssportler bei 250 km/h abgeregelt wird. Trotzdem zielt die neue HOREX auf die Klientel der Besonnenen und Versierten unter den Zweiradpiloten, die den Besitz einer VR 6 als Mission aus Sport und Genuss interpretieren. Ab Herbst 2011 startet die Serienproduktion.

Text: Frank Nüssel/CineMot
Bilder: Werk

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